Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier "Sozialstaat nicht der Globalisierung opfern"

Die Politik solle mutiger sein, um die Auswüchse der Globalisierung einzudämmen, fordert der oberste Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier. Es sei schließlich ihre Pflicht, Schaden vom Volk abzuwenden.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, hat in der Kapitalismusdebatte vor einer pauschalen Unternehmerschelte gewarnt und stattdessen die Politik zu mutigerem Handeln aufgefordert. "Wenn man meint, dass es Auswüchse gibt, muss man die Gesetze ändern", sagte er dem stern über die aktuelle Kritik an ausschließlich renditeorientierten Wirtschaftsführern.

Schließlich sei es die "verfassungsrechtliche Pflicht" der Abgeordneten, Schaden vom Volk abzuwenden, so der Jurist weiter. Er warnte aber vor einer pauschalen Managerschelte. Es sei "für einen Rechtsstaat nicht förderlich", wenn Unternehmen von Politikern "moralisch unter Rechtfertigungsdruck gesetzt" würden: "Ein Unternehmer hat die Pflichten, die ihm das Gesetz auferlegt. Und keine einzige mehr." Das gelte auch für Renditeziele von 25 Prozent und mehr: "Was gesetzlich nicht verboten ist, ist erlaubt", so Papier.

Gesetzgeber habe "noch genug Gestaltungsmöglichkeiten"

Zugleich forderte der Verfassungsrichter die Politiker auf, das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip nicht der Globalisierung zu opfern und "nur noch die sozialpolitischen Schäden" zu verwalten. Der Gesetzgeber habe "noch genug Gestaltungsmöglichkeiten", sagte CSU-Mitglied Papier. Er bedauere, dass diese Möglichkeiten nicht hinreichend genutzt würden. Seiner Ansicht nach, könnte deutschen Unternehmen vorgeschrieben werden, ihre Steuern in Deutschland zu bezahlen. Mit Steuernzahlen allein komme aber kein Eigentümer seinen Pflichten nach, so der Verfassungsrichter: "Schon in den 50er Jahren hat das Verfassungsgericht davon gesprochen, dass Freiheit ohne Verantwortung nicht vorstellbar ist."

Laut Papier gibt es sogar "Spielräume" für die Wiedereinführung der Vermögensteuer: "Der Gesetzgeber verfügt über einen breiten Gestaltungsspielraum sowohl im Steuerrecht als auch im Sozialrecht. Er muss ihn nur nutzen." Sogar Minusrunden für Rentner hält Papier verfassungsrechtlich für zulässig. Dazu müsse der Staat in Ausnahmesituationen das Recht haben. Schließlich bedeute die "Eigentumsgarantie des Grundgesetzes nicht, dass den Rentnern eine bestimmte Höhe ihrer Bezüge garantiert wird".

print

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos