Außenminister Joschka Fischer hat bereits im Frühjahr 2000 Bedenken des damaligen baden-württembergischen Innenministers Thomas Schäuble zurückgewiesen, der vor den Risiken des Volmer-Erlasses zur Visa-Vergabe warnte. Das geht aus einem Briefwechsel hervor, der stern.de vorliegt.
Minister weiter in Erklärungsnot
Die Tatsache, dass die Regierung eines Bundeslandes Fischer offenbar bereits kurz nach dem Volmer-Erlass vom 3. März 2000 auf Missbrauchsrisiken bei der Visavergabe hingewiesen hat, bringt den Minister weiter in Erklärungsnot. Zwar weist Schäuble nicht konkret auf Probleme an der deutschen Botschaft in der Ukraine hin. Aber der Briefwechsel belegt, dass Fischer für die Risiken des Volmer-Erlasses früh sensibilisiert war. Umso merkwürdiger ist es nun, dass der Minister erst im Frühjahr 2003 von den Missständen in der Ukraine erfahren haben soll, obwohl seine Beamten offenbar schon seit über einem halben Jahr von den Problemen in Kiew wussten.
Hintergrund der Visa-Affäre ist, dass kriminelle Schleuser Einreisegenehmigungen missbraucht haben, die vor allem von der deutschen Botschaft in der Ukraine ausgestellt worden waren. Die Union bezichtigt Fischer, den Missbrauch durch einen Erlass vom 3. März 2000 begünstigt zu haben. Darin werden die Auslandsvertretungen angewiesen, bei der Prüfung von Visum-Anträgen im Zweifel zu Gunsten der Reisefreiheit zu entscheiden. Der mit dem Namen des damaligen Staatssekretärs Ludger Volmer verbundene Erlass wurde auch von Fischer unterzeichnet. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages soll nun Licht in die Affäre bringen.
Zeitpunkt entscheidend
Von zentraler Bedeutung ist dabei, wann Fischer von den Missständen in der Visa-Vergabe erfahren hat. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte am Mittwoch berichtet, die Spitze des Auswärtigen Amtes sei schon im Sommer 2002 über Unregelmäßigkeiten an der deutschen Botschaft in der Ukraine unterrichtet gewesen. Fischer selbst soll jedoch nach Angaben des Auswärtigen Amtes erst im März 2003 davon erfahren und dann eine sofortige Änderung der Praxis angeordnet haben.
Schäuble wies Fischer jedoch bereits am 30. März 2000 ausdrücklich auf die Risiken der Visavergabe hin: "Die Reiseerleichterungen des Auswärtigen Amtes werden der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer mehr Schaden zufügen als die von Ihrem Haus behauptete Imagebeeinträchtigung, die ich nicht zu erkennen vermag," schrieb er. "
Ich halte es für nicht sachgerecht, wenn Erleichterungen auch bei den Visaverfahren greifen sollen, die Staatsangehörige außerhalb der Positivliste betreffen und eine Einreise zu Besuchs- oder zu touristischen Zwecken für einen bis zu dreimonatigen Aufenthalt beantragt wird."

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Fischer wies die Vorwürfe am 18. April zurück: "Die Erlass vom 3. März 2000 beinhaltet keinerlei Änderungen der geltenden ausländerrechtlichen Lage", schrieb der Minister. "Er (der Erlass) beschränkt sich auf den Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amts und hat zum Ziel, die Visumpraxis transparenter und bürgerfreundlicher zu gestalten." Ziel der Bundesregierung sei "ein weltoffenes, ausländer- und integrationsfreundliches Deutschland."
Der Briefwechsel wurde am Mittwoch aus Kreisen der Union breit an die Medien gestreut. Ziel dürfte es dabei auch sein, die rot-grüne Bundesregierung vor der Landtagswahl in Schlesig-Holstein am kommenden Sonntag noch weiter in Misskredit zu bringen.