Vorwürfe gegen Brüderle Von der Leyen begrüßt Sexismus-Debatte

Jeder - fast jeder - hat sich zur Sexismus-Debatte geäußert. Arbeitsministerin von der Leyen sieht "einen Nerv getroffen". Darin stimmt ihr auch FDP-Chef Rösler zu. Nur Brüderle schweigt.

Die aktuelle Sexismus-Debatte hat nach Ansicht von CDU-Vize Ursula von der Leyen "das Bewusstsein für die roten Linien geschärft". Die starke Reaktion auf einen "Stern"-Bericht über angeblich anzügliche Bemerkungen des FDP-Politikers Rainer Brüderle zeige, "dass ein Nerv getroffen wurde", sagte die Ministerin der "Welt".

Viele Frauen hätten Belästigungen erlebt und äußerten dies nun auch, sagte von der Leyen weiter. "Besonders schlimm sind Übergriffe, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stattfinden", fügte die CDU-Politikerin hinzu.

"Frauen müssen sich wehren"

Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Liberaler Frauen, Doris Buchholz, riet Frauen zur Gegenwehr. "Frauen müssen sich wehren", sagte sie der "taz". "Sonst fühlt sich der Belästigende als Sieger. Und wird schon ein paar Tage später den nächsten dummen Spruch machen." Buchholz begrüßte, dass zehntausende Frauen im Internet von Belästigungen erzählten: "Sexismus und Abwertung findet man in allen gesellschaftlichen Bereichen. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Werbung." Zu den Vorwürfen gegen Brüderle äußerte sich Buchholz nicht. "Es ist nichts bewiesen", betonte sie.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin rief dazu auf, die Sexismus-Diskussion ernst zu nehmen. Sie zeige, dass es eine Nachdenklichkeit über das gebe, was sich Frauen in der Gesellschaft immer noch gefallen lassen müssten, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir Grüne haben uns seit langem gegen solchen Sexismus eingesetzt - und in unseren eigenen Strukturen gute Erfahrungen mit Quoten gemacht", sagte Trittin. "Je mehr Frauen in Führungspositionen, desto weniger Sexismus - das ist meine Erfahrung."

Den Frauen die Opferrolle zuschieben, wollen aber offenbar nicht alle. Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) wehrt sich gegen allzu simple Strickmuster. "Natürlich ist es nicht schön, wenn Frauen sexuell belästigt werden", sagte die türkischstämmige Ministerin. "Allerdings gibt es auch die andere Seite: Manch eine Journalistin, Sekretärin oder Praktikantin sucht bewusst die Nähe zu wohlhabenden oder mächtigen Männern."

"Möglicherweise fühlt sich mancher Mann in dieser Situation auch nicht wohl", fügte Öney hinzu. "Gerade mächtige Männer in der Politik scheinen beliebt. Dafür gibt es eine Reihe prominenter Beispiele."

Rösler nimmt Brüderle in Schutz

Auch Rösler sah ein "breites Bedürfnis", über Sexismus zu diskutieren. Dies solle aber nur auf Sachebene #link;"und http://www.stern.de/panorama/sexismus-debatte-roesler-wittert-kampagne-gegen-fdp-1962397.html;nicht mit aggressiver Polemik"# geschehen, sagte der FDP-Chef dem Kölner "Stadtanzeiger". Zugleich nahm er Brüderle gegen die erhobenen Vorwürfe in Schutz. "Das ist eine Kampagne gegen die gesamte FDP", sagte Rösler. Noch zu Wochenbeginn hatte FDP-Generalsekretär Patrick Döring erklärt, Rösler wolle keine Stellung zu der Debatte beziehen. Dies sei mit Brüderle, dem FDP-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, abgesprochen worden. Nun scheint in der Parteispitze der Eindruck gereift zu sein, dass die FDP der intensiv geführten öffentlichen Sexismus-Debatte nicht länger ausweichen sollte.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Brüderle schweigt – und dankt

Am Montag hatte bereits das FDP-Präsidium Brüderle den Rücken gestärkt. Der Fraktionschef selbst hat es bislang abgelehnt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Er hat sich jedoch auf der Fraktionssitzung für die "große Geschlossenheit", die er erfahre, berichteten Teilnehmer. Mehr sagte er zu dem Thema nicht.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow machte einen wachsenden Zusammenhalt in den eigenen Reihen seit Erscheinen des Artikels aus. "Jeder normale Bürger erkennt, dass es offensichtlich eine komische Inszenierung gegen Brüderle und die FDP ist", sagte Zastrow der "Bild"-Zeitung. Es sei erkennbar, dass "an dieser Geschichte etwas faul ist". Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Manuel Höferlin sagte dem Blatt: "Die Vorwürfe schaden uns nicht, im Gegenteil: Sie schweißen die FDP eher zusammen und stärken uns."

Unklar ist bislang, ob Brüderles übliches Pressefrühstück mit Journalisten am Mittwoch stattfindet oder abgesagt wird. Dort könnte er auf die Laura Himmelreich treffen, die für den stern über die FDP berichtet und mit ihrem Porträt über Brüderle die Sexismus-Debatte ausgelöst hat.

DPA
swd/AFP/DPA