Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 1,6 auf 1,0 Prozent gesenkt. Das gab Wirtschaftsminister Wolfgang Clement am Freitag bekannt. Rezessionsgefahr sieht er aber nicht und rechnet für 2006 mit einem Konjunkturplus von 1,6 Prozent
Ungeachtet der Reduzierung liegt die Regierung mit ihrer Schätzung noch immer eher am oberen Rand der Prognosen heimischer und internationaler Experten. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gehen von 0,7 Prozent Wachstum aus, die EU-Kommission von 0,8 Prozent.
Die Konsequenz aus dem Einbruch lautet: Die Deutschen müssen weiter sparen. Genau wie die Bundesregierung, so Christiane Seyffart, Deutschlandreferentin der Dresdner Bank. Denn geringeres Wachstum bedeutet zugleich geringere Steuereinnahmen - etwa bei der Mehrwertsteuer.
Schuld an der gegenwärtigen Misere sind nach Ansicht Seyffarts die üblichen Verdächtigen: die schlechte Arbeitsmarktsituation, der Einkommensrückgang, die unerwartetet hohe Inflation sowie der Ölpreisanstieg. Die Eurostärke erschwert deutschen Unternehmen zudem den Export und der gestiegene Ölpreis kostet weitere Kaufkraft. "Investionen werden zurückgenommen, da kann die Gewinnsituation noch so gut sein," sagt die Volkwirtin. Was aber in der gegenwärtigen Lage wohl am gravierendsten ist: "Wenn sich der Absatz der Unternehmen nicht verbessert, wird sich an der Arbeitslosigkeit nicht viel ändern."
Delle, aber kein dauerhafter Abschwung
Grund zur Panik sieht Christiane Seyffart jedoch nicht. "Wir haben sicherlich im Moment eine Delle, aber wir sehen keinen dauerhaften Abschwung." Der Vergleich mit den Konjunkturdaten des Vorjahres trüge, so Seifert. Zwar falle das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr mit 1,6 Prozent geringer aus, dafür habe es 2004 aber auch deutlich mehr Arbeitstage gegeben.
Auf die Arbeitstage umgerechnet, seien die Wachstumszahlen im Grunde ähnlich wie im Vorjahr. Die Interpretation der Daten sei eben immer eine Ermessenssache. Deshalb neige die Bundesregierung auch dazu, das Bild positiver zu zeichnen. "Die privaten Prognostiker sind da zurückhaltender."
Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs, wird deutlicher: Bei der Erstellung ihrer Prognosen gehen die privaten Institute nach wissenschaftlichen Regeln vor und wollten nicht "anderen nach dem Maul reden", sagte er dem Deutschlandfunk. Die Experten sprächen unliebsame Wahrheiten aus, die von der Politik nicht publik gemacht würden.