Kurz vor 15 Uhr sind fast 300 Wanderer auf den Parkplatz der Turnhalle nach Kirkel-Neuhäusel gekommen. Nur der Wichtigste fehlt noch, Ministerpräsident Peter Müller. Sechs Landkreise hat das Saarland, durch jeden ist der Landesvater in den vergangenen Wochen schon gewandert, der Saarpfalz-Kreis ist der letzte. Die Wartenden versorgt der Tourismus-Verband Saarland mit Eis aus "Ritas Eismobil". Und dann ist Peter Müller da. Aufgetaucht aus dem Nichts, keine Spur von einer Limousine oder Bodyguards. Er steigt auf einen der Blumentöpfe, um etwas höher zu stehen. "Ich freue mich, dass so viele bei dieser Hitze zu meiner Sommerwanderung gekommen sind. Viel Spaß auf dem acht Kilometer langen Premiumwanderweg, durch das schönste deutsche Bundesland."
Lafontaine werden Chancen eingeräumt
Jeder Mitwanderer ist ein potenzieller Wähler bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. Und die Stimmen wird er brauchen, denn am Wochenende beim Landesparteitag der Linken möchte sich Oskar Lafontaine zum Kandidaten wählen lassen. Schon einmal war der heutige Links-Parteichef Ministerpräsident des Saarlandes, vierzehn Jahre lang von 1985 bis 1998. Sein Nachfolger wurde Peter Müller von der CDU. Und der möchte auch Ministerpräsident bleiben.
Unter den Wanderern sind zwar die meisten treue CDU-Wähler, trotzdem rechnen manche Lafontaine durchaus Chancen ein. "Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Linke und die SPD zusammen mehr Stimmen bekommen, als die CDU", sagt Hans-Jürgen Hary. "Aber Lafontaine als Ministerpräsident, das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen". Bei dem Gedanken muss er kurz stehenbleiben und lachen. "Oskar Lafontaine ist doch eine Persönlichkeit, die immer nur oben stehen möchte, um Macht zu haben", ruft ein Wanderer von weiter hinten. "Aber er ist volksnah und kann gut reden", wendet Hans-Jürgen Hary ein. "Fast schon ein Demagoge", fügt der Rentner leise hinzu.
Bei Lafontaine sind immer die anderen schuld
Bei 30 Grad wandert die Gruppe schnaufend und schwitzend den Felsenpfad im Kirkeler Wald hinauf. Oben angekommen mischt sich der Kirkeler Bürgermeisterkandidat von den Grünen in die Diskussion ein. "Ich bin mir sicher, dass die CDU die absolute Mehrheit verlieren wird. Aber ich denke, dass sie mit der FDP koalieren wird und Peter Müller Ministerpräsident bleibt", sagt Axel Leibrock. Lafontaine rede viel, wenn er im Wahlkampf sei. Und wenn er dann die Versprechen nicht halten könne, schiebe er die Schuld auf die anderen. Leibrock: "Egal wer von den beiden gewählt wird, es wird nicht besser im Saarland."
Weiter geht es bergab, über Wurzeln und große Steine. An der Spitze wandert immer noch Peter Müller, dessen rot-weiß kariertes Hemd nass verschwitzt am Rücken klebt. Gilfe Kolb ist ebenfalls ein wenig außer Puste, auch sie hat ihre Meinung zu dem Thema. "Ich kenne viele, die der Linken beigetreten sind", sagt die psychotherapeutische Heilpraktikerin. "Die meisten von denen haben dort das Gefühl, etwas bewegen zu können. Das fehlt ihnen wohl bei den anderen Parteien." Auf die Frage, ob ihre Bekannten wohl auch der Linken beigetreten wären, wenn es Oskar Lafontaine nicht gäbe, zuckt Gilfe Kolb nur ratlos mit den Schultern.

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"Den will doch keiner mehr haben"
Nach fast zweistündigem Marsch gibt es beim sogenannten Frauenbrunnen eine kurze Rast. Der Tourismus-Verband Saarland hat Bier, Wasser und Snacks herangeschafft, auf die sich alle stürzen. Nur Peter Müller muss per Handy ein kurzes Radio-Interview geben. Drei schon etwas länger ergraute Herren schauen ihm dabei interessiert zu. "Wartet erst mal ab, was da nächstes Jahr kommen wird", sagt Albert Zitt, der SPD-Mitglied ist. "Überall wo Bergbau und Industrie ist, traue ich dem Lafontaine schon viel zu." Doch die drum herumstehenden CDUler winken alle ab. "Ach was, den will doch keiner mehr haben." Doch die Umfragen sagen etwas anderes: Danach würde die Linke rund 30 Prozent der Wählerstimmen holen und wäre weit vor der SPD, die nur bei knapp 20 Prozent liegt, zweite Kraft hinter der CDU, die rund 35 Prozent der Saarländer wählen wollen.
Drei Stunden und acht Kilometer sind sie hinter Peter Müller hergelaufen, nun erreichen die Wanderer die Kirkeler Burg. Begrüßt werden sie von den mittelalterlich kostümierten "Freyen Spielleut", die den Weg zu Wurst und Getränkeständen zeigen. Und während Peter Müller gerade ein Bierfass anstechen soll, zeigen sich die Musiker nur wenig beeindruckt vom Ministerpräsidenten. "Den wähle ich auf gar keinen Fall", sagt Marco Fuhrmann. "Wegen dem habe ich meinem Job als Bergmann verloren." Der 27-Jährige findet nicht nur Oskar Lafontaine, sondern auch die Linke gut. "Das ist einfach meine Partei." Sein Kollege kann ihm nur zustimmen. "Der guckt den kleinen Leuten eben aufs Maul. Und damals, als er Ministerpräsident war, ging es der Schwerindustrie auch noch gut." Die Flötistin der Gruppe ist 19 und darf nächstes Jahr zum ersten Mal wählen. "Ich weiß noch gar nicht, welche Partei ich wählen soll. Eigentlich finde ich sowohl Lafontaine als auch Müller nicht so toll."