Traditionell werden scheidende Bundespräsidenten, Bundeskanzler sowie Verteidigungsminister von der Bundeswehr mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet – einer feierlichen Militärzeremonie. Der Große Zapfenstreich gilt als die höchste Auszeichnung, die die Armee einer Zivilperson zuteil werden lassen kann. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde am Donnerstagabend auf diese Weise verabschiedet.
Von "Kohls Mädchen" zur mächtigsten Frau der Welt: beeindruckende Porträts von Angela Merkel

Fester Bestandteil des Zeremoniells ist die sogenannte Serenade, die direkt auf den Aufmarsch und die Meldung an die zu ehrende Person folgt. Dabei handelt es sich um bis zu vier Musikstücke, die der oder die Geehrte im Vorfeld aussuchen darf und die dann vom Musikkorps intoniert werden. Merkel hatte sich für das Kirchenlied "Großer Gott, wir loben dich", "Für mich soll's rote Rosen regnen" von Hildegard Knef sowie "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen entschieden. Eine wohlüberlegte Auswahl, die Verbindungen zur Biografie der Kanzlerin erkennen lässt.
Großer Zapfenstreich für Angela Merkel: "Großer Gott, wir loben dich"
Kirchenlieder sind neben militärischen Märschen der Klassiker beim Großen Zapfenstreich – erst recht bei CDU-Politikern. Mit dem ökumenischen Lied "Großer Gott, wir loben dich", 1771 von Ignaz Franz verfasst, stellt sich Angela Merkel in eine Tradition. So wurde beispielsweise bei der Verabschiedung von Helmut Kohl 1998 der Choral ""Nun danket alle Gott" gespielt, auch andere Politiker wünschten sich Glaubenslieder zum Abschied: Alt-Bundespräsident Joachim Gauck wählte "Eine feste Burg ist unser Gott", Ex-Verteidigungsminister de Maiziére verabschiedete sich wie Merkel mit "Großer Gott, wir loben dich".
Dass Merkel ein Kirchenlied auf ihre Wunschliste setzt, überrascht mit Blick auf ihre Herkunft nicht. Die 67-Jährige wuchs als Tochter eines evangelischen Pfarrers auf und ist evangelisch-lutherischer Konfession. Auch während ihrer Kanzlerschaft hat Merkel nie einen Hehl daraus gemacht, dass der christliche Glaube ihr Leben und ihre politische Ausrichtung geprägt hat – vor allem während der Flüchtlingskrise 2015. Dass Merkel ein Lied wählt, das sowohl in evangelischen wie in katholischen Kirchen gesungen wird, ist außerdem durchaus typisch für eine Kanzlerin, die in 16 Jahren Amtszeit meist tunlichst vermieden hat, in irgendeiner Form zu polarisieren.

"Für mich soll's rote Rosen regnen" (Hildegard Knef)
Der Chanson von 1968 ist wohl als kleines Augenzwinkern der Politikerin zu verstehen, die immer wieder mit ihrem trockenen Humor für Stimmung gesorgt hat. Wer von dieser Liedauswahl auf mögliche Botschaften der abtretenden Kanzlerin schließen möchte, darf munter rätseln. Ist das Lied ein dezenter Hinweis auf ihre Laufbahn, von "Kohls Mädchen" zur prägenden Persönlichkeit der Weltpolitik? Deuten Zeilen wie "Ich sollt mich fügen, begnügen / Ich kann mich nicht fügen / Kann mich nicht begnügen / Will immer noch siegen / Will alles, oder nichts" doch eher auf kommende Aufgaben hin? Und ist das schon Feminismus? Oder soll der Titel einfach nur Vorfreude auf den anstehenden Ruhestand ausdrücken? Man kann sich vorstellen, wie Angela Merkel solche Fragen einfach weglächeln würde – und sich jeder seinen Teil denken darf.
"Du hast den Farbfilm vergessen" (Nina Hagen)
Die Überraschung auf Merkels Wunschzettel: ein DDR-Hit von Punksängerin Nina Hagen aus dem Jahr 1974. Wobei allerdings höchstens der Musikstil verwunderlich ist, weniger der Umstand, dass Angela Merkel als erste ostdeutsche Bundeskanzlerin einen Gruß an das Land schickt, in dem sie aufgewachsen ist. Bereits bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in diesem Jahr sprach Merkel ungewohnt persönlich über ihre DDR-Herkunft und die damit verbundenen Erfahrungen.
In dem Lied geht es um eine Frau, die ihrem Partner Vorwürfe macht, weil der versäumt hat, den Farbfilm für die Kamera mit in den Urlaub zu nehmen. Nun spekulieren manche darüber, ob das wohl auch eine letzte Spitze der scheidenden Kanzlerin in Richtung der vielen Politiker sei, die ihr in den vergangenen Jahren das Leben schwer gemacht haben oder ihr (vergeblich) Konkurrenz machen wollten. Aber auch das würde Angela Merkel selbstverständlich niemals zugeben.