Zuwanderung Hochqualifizierte ja, Billigarbeiter nein

Nach vielen Querelen hat sich die Bundesregierung auf neue Regeln für die Zuwanderung Hochqualifizierter geeinigt: Die Einkommensgrenze soll gesenkt werden. Das bedeutet aber nicht, dass Billigkräfte willkommen wären. Im Gegenteil, hier soll der Markt abgeschottet werden.

Ausländer mit Hochschulabschluss sollen künftig viel leichter in Deutschland arbeiten dürfen, um hier den Fachkräftemangel zu mindern. Für Geringqualifizierte bleiben die Hürden dagegen hoch. Dies beschloss das Kabinett in dem Aktionsprogramm "Aktionsprogramm Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland." Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hoffen, dass Deutschland damit im Wettbewerb um gute Köpfe aufholt. Der Wirtschaft geht das Programm aber nicht weit genug. Angekündigt hatte es die Große Koalition schon vor einem Jahr. Nun beschloss sie konkrete Maßnahmen.

Arbeitslose qualifzieren

Damit werde es nun für Hochschulabsolventen sehr einfach, nach Deutschland zu kommen, sagte Scholz. "Dies ist für unseren Arbeitsmarkt keine Belastung, aber für unser Wirtschaftswachstum wird das eine gute Sache sein." Gleichzeitig verhindere man, dass die Anstrengungen zur Qualifizierung von Arbeitslosen in Deutschland nachließen, betonte Schäuble. Die Regierung setze alles daran, das heimische Potenzial zu nutzen. Auch Scholz meinte, Schlosser oder Maler müssten verstärkt hier ausgebildet werden.

Bislang hält sich der Andrang der "besten Köpfe" nach Deutschland in sehr engen Grenzen: 2006 wurde demnach die Zuwanderung von 456 hochqualifizierten Fachkräften registriert, 2007 waren es 466, wie Schäuble sagte. Die Wirtschaft schätzt, dass 400.000 Fachkräfte fehlen. Scholz meinte hingegen, den tatsächlichen Bedarf kenne niemand. Er soll nun erstmals in einem "Arbeitskräftebedarfsindex" ermittelt werden.

Kritik aus der Industrie

Kritik kommt weiter von den Industrieverbänden. Der DIHK bekräftigte, man hätte sich mehr Mut bei der Öffnung des Arbeitsmarkts gewünscht. Der Verband Die Jungen Unternehmer nannte die Neuerungen einen Tropfen auf den heißen Stein. "So bekommt man den Fachkräftemangel nicht in den Griff", erklärte Verbandschef Dirk Martin. Er schlug ein Punktesystem vor, das Scholz und Schäuble aber ablehnen. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erhob Einwände dagegen, hier lebenden Fachkräften nach zweijähriger Tätigkeit ein Daueraufenthaltsrecht zuzugestehen. "Das schießt über das Ziel hinaus und kann so nicht bleiben", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Sein Parteikollege Schäuble sprach hingegen von einer "behutsamen" Öffnung des Aufenthaltsrechts. Den Grünen ist das Zuwanderungsrecht auch nach den geplanten Änderungen noch zu "rigide, bürokratisch und unübersichtlich".

Die wichtigsten Punkte im Detail:

- Für Akademiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten wird der Arbeitsmarkt uneingeschränkt geöffnet. Für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten muss eine Vorrangprüfung zunächst belegen, dass sie keine inländischen Arbeitsuchenden verdrängen.

- Der Arbeitsmarkt wird über 2009 hinaus gegen Billig-Arbeiter aus den EU-Beitrittsstaaten abgeschottet: Für die zehn Beitrittsländer vom 1. Mai 2004 (außer Zypern und Malta) bis April 2011, für die erst 2007 beigetretenen Rumänen und Bulgaren bis Ende 2011.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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- Die Einkommensgrenze für hoch qualifizierte Fachkräfte wird von 86.400 Euro auf die Beitragsbemessungsgrenze (West) der Rentenversicherung von derzeit 63.600 Euro jährlich gesenkt. Sie erhalten dann von Anfang an ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.

- Absolventen von deutschen Schulen im Ausland sollen bevorzugt werden. Sie können ohne Vorrangprüfung jede "berufsqualifizierende Ausbildung" oder eine ihrem Studienabschluss entsprechende Tätigkeit aufnehmen.

- Für in Deutschland lebende, hier aber nur geduldete junge Menschen soll sich der rechtliche Status verbessern. Für diese "qualifizierten Geduldeten" wird die "Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung" eingeführt. Diesen "sicheren Aufenthaltstatus" sollen Hochschulabsolventen erhalten, die zwei Jahre durchgängig in einem ihrer Qualifikation entsprechenden Beruf beschäftigt waren, sowie Fachkräfte, die zwei Jahre durchgängig in einer Beschäftigung tätig waren, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung voraussetzt. Dies gilt auch für "Geduldete, die gut integriert sind" und in Deutschland eine Berufsausbildung oder ein Studium absolviert haben.

- Zudem sollen die Rahmenbedingungen für Zuwanderer attraktiver werden, etwa dadurch, dass ihre Angehörigen vor der Einreise keine Deutschkenntnisse nachweisen müssen. - Eine monatliche Umfrage unter Unternehmen soll frühzeitig anzeigen, wo Fachkräftemangel droht. Der "Arbeitskräftebedarfsindex" soll den Fachkräftebedarf der nächsten sechs Monate abbilden. Das Arbeitsministerium will zudem eine "Allianz" einberufen, die "die Bundesregierung bei Entscheidungen zur arbeitsmarktadäquaten Zuwanderung" beraten soll. Ihr sollen die Sozialpartner, Wissenschaftler und Vertreter der Bundesregierung und der Länder angehören.

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