Sie wohnen derzeit im Wellness-Hotel in Badenweiler. Wie geht's Ihnen?
Ich kann nicht klagen. Früher bin ich auf die Bergspitzen gestiegen, heute betrachte ich die Berge von unten. Meinen Knochen tun die heilenden Wasser aber gut.
Sie waren über fünfzig Jahre politisch aktiv. Ihr größter Fehler war ...
... dass ich mich bei der Kampagne, die 1978 gegen mich lief, nicht an die Spitze der Rechercheure stellte. Stattdessen wartete ich ab, dass die Wahrheit sich durchsetzt. Das war ein Fehler.
Sie sahen sich als Opfer einer Rufmordkampagne, als herauskam, dass Sie 1945 als NS-Jurist für die Hinrichtung des fahnenflüchtigen Matrosen Gröger votiert hatten. Sehen Sie sich immer noch als Opfer?
Natürlich. Ich hätte damals offensiv sagen sollen: "Durch den Filbinger ist kein einziger Mensch ums Leben gekommen."
Zur Person:
Dr. Hans Filbinger, 88, lebt mit seiner Frau in Freiburg; zurzeit kuren beide in einem Sanatorium in Badenweiler. Der studierte Jurist und Volkswirt kam 1940 zur Marine und arbeitete ab Oktober 1943 als Marinerichter in Norwegen. Hier wirkte er als Ankläger oder Beisitzer auch an Todesurteilen mit. Nach dem Krieg war Filbinger als Rechtsanwalt tätig und trat 1951 in die CDU ein. Rolf Hochhuth bezeichnete 1978 in der "Zeit" Filbinger als "furchtbaren Juristen" und löste damit die politische Diskussion aus.
Sie haben aber zwei Todesurteile unterschrieben.
Das waren Urteile in Abwesenheit gegen Deserteure.
Die CDU hatte Sie damals immerhin fallen gelassen. Sind Sie noch wütend?
Ich blicke nicht im Zorn zurück. Das würde bedeuten, dass man eine Haltung der Verbitterung einnimmt, dann hadert man mit sich und ist nicht mehr kreativ. Ich habe kurze Zeit danach wieder als Wahlkampfross für die CDU zur Verfügung gestanden. Später hat mich meine Partei zum Ehrenvorsitzenden gemacht, das bin ich heute noch.
1979 gründeten Sie das Studienzentrum Weikersheim, um eine geistige und moralische Erneuerung in der Politik voranzubringen. Sehen Sie sie vorangekommen?
Als wir Weikersheim gründeten, gab es eine allgemeine politische Resignation, es war die Endphase von Helmut Schmidt. Seine Partei hielt nicht mehr zu ihm, als er den Nato-Doppelbeschluss verkündete. Es gab keine Vision, auch eine Spätfolge der Achtundsechziger. Wir haben in 24 Jahren unseren Teil dazu beigetragen, dass heute viele Menschen überzeugt sind, dass wir mit einer rein pragmatischen Politik nicht die Zukunft sichern können.
Ist Weikersheim eine rechte Kaderschmiede?
Das ist ein Etikett, das natürlich in gar keiner Weise stimmt.
Haben Sie was gegen Kaderschmieden?
Der Begriff kommt doch von der Antifa, die sagen: Alles, was nicht links ist, ist rechts, und bei »rechts« macht man dann keinen Unterschied mehr zu rechtsradikal. Die Keule des Antifaschismus wird geschwungen, weil man ein geistiges Zentrum eliminieren und mundtot machen will. Nein, in Weikersheim reden wir über die Probleme unserer Gesellschaft. Im Mai wird erstmals auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch sprechen.
Apropos Werte: Können Sie Helmut Kohls Haltung verstehen, die Geldspender der CDU nicht zu verraten?
Das war eine äußerst unglückliche Situation, die nicht nur ihm, sondern auch der CDU auf das Schwerste geschadet hat.
In Rolf Hochhuths Erzählung "Eine Liebe in Deutschland" ging es um Ihre Marinerichtertätigkeit. Im Jahr 2000 strich das Stuttgarter Kultusministerium das Stück als Abi-Pflichtlektüre. Befriedigt Sie das?
Zum Komplex Hochhuth möchte ich nichts mehr sagen, nicht wieder einen Stein hinterherwerfen.
Sind Sie altersmilde geworden?
Mild vielleicht in Bezug auf andere Menschen, Feindschaften relativieren sich. Ich ärgere mich weniger über andere und versuche eher, sie in ihrem Verhalten zu verstehen. Ich bin aber nicht milde bei geistigen Gegensätzen, da bin ich kämpferisch und auch aggressiv.