Simon Wiesenthal Der "Nazijäger"

Rund 1100 Nazi-Schergen hat Simon Wiesenthal enttarnt. Sein Wirken versteht der Gründer des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien stets auch als Warnung an moderne Diktatoren.

"Es gibt keine Freiheit ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit." So hat der als "Nazijäger" bekannt gewordene Simon Wiesenthal sein Lebensmotto beschrieben. Der jüdische Architekt wird von seinen Mitarbeitern respektvoll als "Herr Ingenieur" angeredet und hat bis ins hohe Alterin seinem kleinen Büro in der Wiener Innenstadt gearbeitet.

Zwischen unzähligen historischen Büchern, Erinnerungen von Nazi-Opfern und staubigen Dokumenten hatte der 96-Jährige in seinem "Dokumentationszentrum" Besucher empfangen, die zur Aufarbeitung der millionenfachen Morde beitragen konnten. Seine Aufklärungsarbeit verstand er stets auch als Warnung an die Adresse moderner Diktatoren. Doch "Recht, nicht Rache", lautete der Titel seiner Autobiografie.

Zwölf Konzentrationslager überlebt

Wiesenthal wurde am 31. Dezember 1908 in der Nähe der ukrainischen Stadt Lemberg (ukrainisch: Lwiw) geboren, das damals noch zur Habsburger Monarchie gehörte. Seit 1941 bis zu seiner Befreiung durch die Amerikaner in Mauthausen im Mai 1945 hatte er zwölf Konzentrationslager überlebt und durchlitten. Er und seine ebenfalls überlebende Frau Cyla, die im November 2003 im Alter von 95 Jahren gestorben ist, verloren ihre gesamte Familie - 89 Mitglieder. Seit 1947 widmete sich Wiesenthal mit dem von ihm gegründeten "Jüdischen Dokumentationszentrum" in Wien dem Aufspüren ehemaliger Nazi-Schergen.

Rund 1100 von ihnen hat er nach eigener Darstellung enttarnt und bei deren Verhaftung geholfen. Als einen seiner spektakulärsten Erfolge bezeichnet Wiesenthal die Enttarnung des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann 1960 in Argentinien, der ein Jahr später in Israel zum Tode verurteilt wurde. In diese Reihe stellt er auch das Aufspüren des Wiener Polizisten Karl Silberbauer 1963, der die 14-jährige Anne Frank in Amsterdam hatte verhaften lassen. Oder die Enttarnung des KZ-Kommandanten von Treblinka, Franz Stangl, im Jahre 1967 in Brasilien.

Im Jahr 1996 geriet das Ansehen Wiesenthals ins Zwielicht. Er habe "in allen großen Nazi-Fällen der Nachkriegsära - Bormann, Barbie, Mengele, Eichmann - versagt", behauptete der Chef der Abteilung NS- Verfolgung im US-Justizministerium, Eli Rosenbaum. Er sei "inkompetent, egomanisch, ein Verbreiter falscher Informationen, eine tragische Figur". Der frühere Chef des israelischen Geheimdienstes, Isser Harel, bezeichnete Wiesenthals Rolle bei der Ergreifung Eichmanns als Mythos. "Wir haben von Wiesenthal nichts bekommen, das von irgendwelcher Bedeutung für die Operation war. Alle seine Behauptungen waren falsch."

Auszeichnungen, Dankesschreiben und Ehrendoktorwürden

Unbestritten sind dagegen die Auszeichnungen und Würdigungen Wiesenthals weltweit, die teils die Wände seines Wiener Büros zieren. Seine Ehrendoktorwürden sind Legion, Dankesschreiben von Staats- und Regierungschefs beinahe unübersehbar. 1977 wurde in Los Angeles das "Simon Wiesenthal Holocaust Center" gegründet, mit heute weltweit mehreren hunderttausend Mitgliedern. In der israelischen Negev-Wüste wurde unter seinem Namen ein Wald mit 10 000 Bäumen gepflanzt. Seine Mitarbeiter sehen darin einen Hinweis auf die Einzigartigkeit Wiesenthals, der nach eigener Darstellung niemanden als Nachfolger ausersehen hat.

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Thomas Brey/DPA

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