Der Sozialdemokrat und führende Vertreter der deutschen Gewerkschaftsbewegung Wilhelm Leuschner gehörte zum Kreis der Regimegegner, die eng hinter den Attentätern vom 20. Juli 1944 standen. Dennoch ist der am 15. Juni 1890 in Bayreuth als Sohn eines Töpfers geborene Leuschner eine vergleichsweise unbeleuchtete Figur im Reigen der Widerständler. Dabei sollte der gelernte Bildhauer nach dem gelungenen Attentat auf Adolf Hitler und dem Sturz des NS-Regimes Vizekanzler der Übergangsregierung werden.
Leuschner, der von den Gewerkschaften zu den Begründern des gewerkschaftlichen Einheitsgedankens gezählt wird, begann seine steile Karriere als Gewerkschaftssekretär in Darmstadt. Er rückte zum Bezirkssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftbundes (ADGB) auf und bekam bald die Führung der Darmstädter sozialdemokratischen Parteibewegung in die Hand. Seit 1924 hatte er einen Sitz für die SPD im hessischen Landtag und wurde bei der Neubildung der hessischen Regierung 1928 zum Minister des Innern gewählt. Im Januar 1933 beriefen die Freien Gewerkschaften Leuschner in ihren Bundesvorstand.
Rücktritt und Verhaftung
Doch schon im Februar zwangen die Nationalsozialisten Leuschner zum Rücktritt von allen Ämtern. Was dem gebürtigen Oberfranken blieb - zumindest für kurze Zeit - war sein Sitz im Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes in Genf. Dort vertrat er jedoch die deutschen Gewerkschaften nach seinen Vorstellungen und nicht nach denen der Nationalsozialisten - und wurde verhaftet.
Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Lichtenburg im heutigen Sachsen-Anhalt Mitte der 30er Jahre begann Leuschner, den gewerkschaftlichen Widerstand aufzubauen. Nach außen hin leitete er ein kleines Fabrikationsgeschäft für Bierflaschenverschlüsse in Darmstadt. Tatsächlich aber knüpfte er auf "Geschäftsreisen" im gesamten Reichsgebiet ein Netzwerk aus politischen und gewerkschaftlichen Vertrauten, um für die Zeit nach dem Sturz des NS-Regimes gerüstet zu sein.
So traf sich Leuschner unter anderem 1938 mehrmals mit dem früheren Reichstagsabgeordneten Julius Leber, mit dem er die Haltung der SPD bei der Gestaltung des Reiches nach einer gewaltsamen Beseitigung des nationalsozialistischen Regimes beriet. Im Gegensatz zu Leber hielt der Gewerkschafter Leuschner allerdings eine Monarchie mit demokratischen Verfassungsformen für richtiger als eine Republik nach Weimarer Muster.
Kontakt mit militärischen Widerstandskreisen
Die Pläne für einen Umsturz konkretisierten sich zunehmend auch von Seite der ehemals aktiven Politiker aus den verschiedenen politischen Widerstandsgruppen. Auch mit den militärischen Widerstandskreisen hielt Leuschner Kontakt. Die Pläne sahen vor, dass Leuschner nach dem gelungenen Attentat auf Hitler zunächst in einer ins gesamte Reich übertragenen Rundfunkansprache zum Generalstreik aufruft, um dem Widerstand eine soziale Basis im Volk zu verschaffen.
Nach dem Scheitern des Attentats am 20. Juli 1944 konnte sich Leuschner drei Wochen lang verstecken, bis er am 16. August 1944 verhaftet wurde. Im September wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 29. September in Berlin-Plötzensee im Alter von 54 Jahren hingerichtet.