stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz blickt auf Til Schweiger und seine Macht an den Filmsets

stern Cover mit Til Schweiger
Das aktuelle stern-Cover: Til Schweiger über seine Alkoholexzesse
© stern
Chefredakteur Gregor Peter Schmitz schaut in das neue stern-Magazin. Besonders bewegt ihn diese Woche das Interview mit Til Schweiger über seine Alkoholexzesse und die Macht als Regisseur. Außerdem spricht er über Sahra Wagenknecht und was ihre neue Parteiidee zu bedeuten hat.

Als der "Spiegel" im April 2023 berichtete, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Til Schweiger beim Dreh von "Manta, Manta 2" Alkoholmissbrauch, Schikane und Gewalt vorhielten, lautete die Überschrift: "Sie nennen ihn den ‚Imperator‘". Damit war die Fallhöhe gesetzt: Schweiger ist nicht einfach irgendein Kinodarsteller, nicht einer dieser Schauspieler, die bald fürchten müssen, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden, er ist: Til Schweiger. Und das heißt: ganz oben. Für den deutschen Kinomarkt verkörpert Schweiger mit seinen Filmen und Produktionen, was Tom Cruise oder Leonardo DiCaprio für Hollywood sind: eine Garantie, dass Zuschauerinnen und Zuschauer in jeden neuen Film rennen, fast egal, wovon er handelt.

Wer so eine Macht hat, das Publikum für sich zu gewinnen, hat auch sehr viel Macht an einem Filmset. Und diese hat Til Schweiger zumindest teilweise offenkundig ausgelebt bis ausgenutzt. Die Untersuchung einer Anwaltskanzlei im Auftrag von Schweigers Produktionsfirma ergab nun, dass zwar nicht alle Anschuldigungen aus dem "Spiegel"-Stück belegt werden können, doch viele: Der Bericht zeichnet das Bild eines mächtigen Regisseurs und Hauptdarstellers, der am Set trinkt und gewalttätig ist, der "grenzwertig, übergriffig und verletzend" spricht, der bei manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für sehr schlechte Stimmung bis Angst sorgt.

Schweiger ist seit Monaten abgetaucht, er war kaum noch zu sehen, kaum noch zu hören. Nun hat er bei einem mehrstündigen Treffen mit meinem Kollegen Hannes Roß, der die Filmbranche seit Langem begleitet, sein Schweigen gebrochen – und spricht erstaunlich offen über seinen Umgang mit Alkohol, seine Fehler, auch seine Reue. Durch das Interview zieht sich ein fester Vorsatz: Ich darf nicht mehr die Kontrolle verlieren. Es ist ein faszinierendes Gespräch. Dennoch haben wir überlegt und diskutiert, ob es auf die Titelseite gehört: Immerhin geben wir dort dem mächtigen Herrn Schweiger wieder eine Bühne – eine Macht, die anonyme Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Set, die sich von ihm bedroht fühlten, nicht haben. Wir glauben aber, dass es richtig ist, um Debatten anzustoßen, über Machtmissbrauch, über Alkohol und auch über die Frage, was sich in der deutschen Filmbranche ändern muss. Wie viel sich dort bereits getan hat und wie viel sich noch tun muss, hat meine Kollegin Thembi Wolf recherchiert.

Sahra Wagenknecht und ihr Populismus

Sahra Wagenknecht ist keine Polit-Darstellerin. Man muss das so deutlich sagen, weil Zweifel an dieser These durchaus erlaubt sind. Kaum eine deutsche Politikerin konzentriert sich seit Jahren in erster Linie so darauf, bella figura zu machen, in Talkshows, bei Reden, auf Demonstrationen. Wagenknecht verschwendet kaum Zeit auf lästige Organisations- oder Gremienarbeit. Der Soziologe Oliver Nachtwey hat über sie geschrieben: "Ihr Populismus funktioniert paradoxerweise genau deshalb, weil sie mittlerweile selbst zum medialen Establishment gehört." Ihre Anhänger fühlten sich von ihr repräsentiert, weil sie nicht sei wie sie. "Deshalb ist es auch kein Problem, dass Wagenknecht in einer Streikweste auf einer Demonstration wie eine Schauspielerin wirkt, die ins falsche Stück geraten ist."

Dass Wagenknecht nun die Linken verlässt und ihre eigene Partei mit dem Namen "Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit" gründet, ist daher eine logische Entwicklung, gleichwohl aber auch eine neue Zeitenwende in der deutschen Innenpolitik. Nun droht Populismus von ganz rechts wie von ganz links, vor allem in der Migrationspolitik. Meine Kollegen Tilman Gerwien und Jan Rosenkranz konnten das erste große Print-Interview mit Frau Wagenknecht über ihre Pläne führen. Neue Partei, neues Glück? Lesen Sie selbst.

Erschienen in stern 44/23