Deutschland Politologin Daniela Schwarzer: "Wir sind verwundbarer als früher"

Robert Habeck kramt in seiner Tasche zwischen Christian Lindner und Olaf Scholz
Lindner, Habeck, Scholz – hält die Koalition? Ja, glaubt Schwarzer, niemand habe ein Interesse, das Bündnis zu verlassen
© dpa
Die Politologin Daniela Schwarzer über das Krisenjahr 2023, Lektionen für Deutschland – und den Begriff "Kriegstüchtigkeit".

Frau Schwarzer, 2022 dachte man, viel schlimmer kann es nicht kommen. Aber wirklich besser geworden ist 2023 nicht. Kann eine Regierung von so vielen Krisen überfordert sein?
Das kann passieren. Denn es geht neben dem Krisenmanagement auch darum, grundsätzliche Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Wenn der Fokus einseitig auf Krisenbewältigung gerichtet ist, geht natürlich Kraft verloren, die in die Gestaltung etwa der grünen oder der digitalen Transformationen oder die Vorbereitung des Landes auf zukünftigen Risiken fließen sollte.

Wie groß ist dieses Defizit in Deutschland?
Groß. Man hat die Gefahr eines Krieges Russlands gegen die Ukraine lange nicht ernst genommen. Jedenfalls nicht so, dass man ernsthafte Vorbereitungen getroffen hätte, neben der Verteidigungsfähigkeit zum Beispiel bei der Energie. Seit 2014, als Putin die Krim annektiert hat und begann, seine imperialistische Vision eines großen Russlands zu formulieren, das die Ukraine einschließt, hätte man die Abhängigkeit reduzieren müssen. Das Gegenteil ist passiert.

Daniela Schwarzer ist eine der führenden Politikwissenschaftlerinnen in Deutschland. 1973 in Hamburg geboren, studierte sie in Tübingen sowie in Großbritannien und Frankreich.Von 2016 bis 2021 war sie Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. 2021 wird sie Honorarprofessorin an der Freien Universität Berlin. Seit Mai 2023 gehört sie dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung an.
© Marlena Waldthausen

Daniela Schwarzer ist eine der führenden Politikwissenschaftlerinnen in Deutschland. 1973 in Hamburg geboren, studierte sie in Tübingen sowie in Großbritannien und Frankreich.Von 2016 bis 2021 war sie Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. 2021 wird sie Honorarprofessorin an der Freien Universität Berlin. Seit Mai 2023 gehört sie dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung an.

Die jetzige Regierung bildet sich viel darauf ein, diese Fehler korrigiert zu haben.
Ja. Diese Regierung hat unter dem Druck des Krieges schnell und erfolgreich umgesteuert, um die Energieversorgung zu sichern. Aber als Teil des reaktiven Krisenmanagements. Die eigentliche Aufgabe bleibt: die grüne Transformation, die hohe Investitionen erfordern wird.

erschienen in stern Jahresendheft 2023