Neue stern-Kolumne: Auf dem Weg nach morgen Luisa Neubauer: "Manche denken, wir Jungen werden die Welt retten – Bullshit!"

Neue stern-Kolumne: Auf dem Weg nach morgen: Luisa Neubauer: "Manche denken, wir Jungen werden die Welt retten – Bullshit!"
© Michael Kappeler/DPA / stern-online


"Ich bin Luisa Neubauer, Geografie-Studentin und Klima-Aktivistin. Wie entwickeln wir die notwendige Vorstellungskraft, um uns in der Klimakrise zu behaupten? Wie bringen wir der Wirtschaft ihren Selbsterhaltungstrieb wieder bei? Auf diese Fragen will ich in der neuen stern-Kolumne Antworten finden."


Nachhaltig leben bedeutet...
"Nachhaltig leben heißt für mich von gestern lernen, um es heute besser zu machen, damit wir morgen auf einem gesunden Planeten leben können."


Wie setzen Sie das um?
"Ich nutze meine Stimme und die Macht der Mobilisierung, um mich für ein nachhaltiges Leben einzusetzen."


Haben Sie Hoffnung, dass wir die Klimakrise überwinden?
"Hoffnung ist ein großes Wort. Es gibt eine Chance. Das ist, glaube, ich entscheidend. Es gibt eine Chance, dass wir als Menschheit noch ganz viel reißen können. Und diese Chance ist da und sie ist minimal – und das ist der entscheidende Punkt."


Wie fühlen Sie sich in Bezug auf diese Krise?
"Ich fühle mich, glaube ich, in einer andauernden Ambivalenz. Zum einen sehe ich, wie unglaublich träge Prozesse sind, dass wir kaum etwas gelernt haben politisch. Dieses Sprichwort, dass alles Tragödie ist und alles dann Farce wird, dass das reell ist. Dass heute die gleichen politischen Ausreden angewandt werden wie vor 20 Jahren – das ist erschlagend."


Wie gehen Sie mit diesem Gefühl um?
"Der zentrale Weg aus diesem Gefühl der Erschlagenheit ist Aktivismus. Und das heißt nicht nur auf der Straße sein, sondern Aktivismus in jedem Lebensfeld. Aktivismus in der Art, wie man Beziehung nachhaltig lebt und wie man sich am Arbeitsplatz verwirklicht und überlegt, wofür arbeite ich hier eigentlich. Was mache ich 40 Stunden die Woche. Und das ist tatsächlich der Weg aus der Ohnmacht angesichts der multiplen Krisen auf der Welt und hin zu einem sinnerfüllten Leben."


Was war die bisher härteste Kritik?
"Ich finde es bemerkenswert, wie viele Menschen mir konkret aber auch uns als Bewegung vorwerfen, ein verschobenes Demokratieverständnis zu haben. Weil wir erwarten, dass sich nach neun Monaten etwas verändert, weil es dann so sein soll, wie wir es erwarten. Als würden wir uns einen Abenteuerspielplatz wünschen, und dann soll das auch passieren, weil wir neun Monate auf der Straße stehen. Dabei setzten wir uns für Erhaltung eines selbst verhandelten und legitimierten Abkommens ein. Die Tatsache, dass das Parisabkommen so radikal ignoriert werden kann, das ist die entscheidende undemokratische Entwicklung, die wir gerade erleben."


Was ist die Aufgabe der jungen Generation?
"Die Sache mit der Klimakrise ist ja, dass wir alle auch ein bisschen Teil vom Problem sind. Und das ist natürlich spannend, weil es niemanden so richtig aus der Verantwortung lässt. Aber wir merken, dass Verantwortung nicht gleich ist, dass es Menschen in diesem Land gibt, die in gewählten Ämtern sind, die mit einer unglaublichen Verantwortung behaftet sind und die ihr aber nicht gerecht werden. Und diese Leerstelle, dieses Verantwortungsvakuum aufzuzeigen, das ist die große Aufgabe meiner Generation. Menschen denken, wir Jungen werden die Welt retten. Bullshit. Aber wir können aufzeigen, dass jetzt gehandelt werden muss und mit einer Zeitlichkeit argumentieren wie das nur wir können, weil wir diese Klimakrise selbst erleben und erleben werden. Und wir können die Menschen in den Positionen zur Rechenschaft ziehen."


Kann man Schulkindern das zumuten?
"Ich finde, es ist eigentlich unzumutbar, dass Kinder freitags nicht zur Schule gehen. Dass sie sich beschimpfen lassen, dass sie unglaubliche Anfeindungen erleben von Älteren, die auf die herabblicken, nur weil sie Dinge aussprechen, die sich anscheinend niemand anderes traut auszusprechen. Das ist im Kern schon unglaublich ungerecht."
Luisa Neubauer ist das deutsche Gesicht der "Fridays for Future"-Bewegung. In der neuen stern-Kolumne "Auf dem Weg nach morgen" wird sie neben anderen Autoren darüber diskutieren, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Im Interview erzählt sie, wie sie die Aufgabe ihrer Generation versteht. 

Umwelt- und Klimaschutz geht uns alle an. Dieser Beitrag ist Teil des Projekts "Packen wir’s an!" der Bertelsmann Content Alliance, zu der auch der stern als Teil von Gruner + Jahr gehört. Mit der vereinten Kraft und Reichweite unserer journalistischen Angebote wollen wir maximale Aufmerksamkeit schaffen und Wissen vermitteln – für eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. #PACKENWIRSAN