Tagebuch eines Rekruten Nicht denken. Und stumpf geradeaus schauen. Ich war undercover bei der Bundeswehr

Von Björn Stephan
Reporter Björn Stephan als Bundeswehrrekrut
Reporter Björn Stephan, 28, leistete Anfang des Jahres freiwilligen Wehrdienst in der Kürassier-Kaserne in Mecklenburg-Vorpommern. Er erzählte niemandem, dass er Journalist ist. In der Werbekampagne der Bundeswehr ("Mach, was wirklich zählt.") inszeniert sich die Truppe als moderner Arbeitgeber – was der Reporter erlebte, offenbart ein ganz anderes Bild.
© Maximilian von Lachner
Der Oberfeldwebel brüllt: "Heute werden Sie entjungfert. Sind Sie bereit?", "Jawohl", rufen die Rekruten. Sie stehen vor ihm, angetreten in Dreierreihen: 41 Panzergrenadiere, 17 bis 28 Jahre alt, unter ihnen vier Frauen, drei Vegetarier und zwei Muslime. Einer von ihnen bin ich.

Es ist 5.45 Uhr an einem Mittwoch Ende Januar, die vierte Woche unserer Grundausbildung, und für die meisten von uns ist dieser Tag, der Tag unserer Entjungferung, der Grund, warum wir überhaupt zur Bundeswehr gekommen sind: endlich schießen. Mit einem scharfen Sturmgewehr. Einem G36. Oder wie Carlo* (*Namen und Dienstgrade der Vorgesetzten wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert, ebenso die Namen der Wehrdienstleistenden), einer meiner Kameraden, sagt: "Geil, ballern!"

Erschienen in stern 16/2016.