Für die Deutschen ist die Affäre um mögliche Vetternwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium noch nicht erledigt. Staatssekretär Patrick Graichen hatte daran mitgewirkt, seinen Trauzeugen als Chef der staatlichen Deutschen Energieagentur auszuwählen. Graichen hatte sich entschuldigt, und Minister Robert Habeck hatte vergangene Woche angekündigt, dass der Staatssekretär wegen seines Fehlers nicht gehen müsse. Doch 54 Prozent der Deutschen sind laut einer Forsa-Umfrage für den stern der Meinung, dass Habeck seinen Staatssekretär entlassen sollte. 35 Prozent halten das nicht für erforderlich. 11 Prozent sind unentschieden. Die Umfrage wurde vor der Bürgerschaftswahl im Bremen abgeschlossen, wo die Grünen kräftige Stimmenverluste erlitten - womöglich auch wegen der Debatte um den den Staatssekretär.
Tief gespalten in der Haltung zur Affäre sind die Anhänger der Grünen: Immerhin 43 Prozent sind für einen Abgang Graichens, 46 Prozent halten das nicht für nötig. Wenig überraschend sind die Anhänger der Oppositionsparteien mehrheitlich für eine Entlassung des Staatssekretärs (CDU/CSU 57 Prozent, AfD 85 Prozent), aber auch die Wähler der FDP (55 Prozent). Deutlich milder sehen es die SPD-Anhänger, die zu 56 Prozent für einen Verbleib im Amt sind.
Für Forsa-Chef Manfred Güllner sind die Umfrageergebnisse ein Indiz dafür, dass die Grünen zunehmend als ganz normale Partei wahrgenommen würden. Auch breiteren Wählerschichten sei durch Vorgänge bewusst geworden, "dass die Grünen zwar häufig Personalentscheidungen anderer politischer Akteure als 'Vetternwirtschaft' oder 'Filz' brandmarken, aber selbst alle Möglichkeiten nutzen, ihre Gefolgsleute systematisch mit Posten zu versorgen".
Die Daten wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa für die RTL-Gruppe Deutschland am 11. und 12. Mai 2023 erhoben. Datenbasis: 1007 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte