Herr Eschenbächer, die OSZE schickt erstmals Wahlbeobachter nach Deutschland. Wie ist es dazu gekommen?
Wir haben seit 2002 mehrere Einladungen von der Bundesregierung erhalten, die Wahlen zu beobachten. Dieses Jahr haben wir uns dazu entschieden, die Einladung anzunehmen. Unter anderem, weil Deutschland das einzige grosse EU-Land ist, in dem wir bislang noch keine Beobachter hatten. Diese Lücke wollten wir schließen.
Was genau werden Sie unter die Lupe nehmen?
Es geht uns zum einem darum, zu schauen, ob der Wahlprozess im Einklang mit den OSZE-Wahlstandards steht, die Deutschland unterzeichnet hat. Es geht uns aber auch darum, Erfahrungen mitzunehmen, gerade aus etablierten Demokratien, um sie gegebenenfalls jungen Demokratien zur Verfügung zu stellen.
Welche wären das zum Beispiel?
Schwer zu sagen, da wir noch mitten in der Beobachtung sind, aber ein interessanter Aspekt in Deutschland ist die Art und Weise wie die Wahlen in einem föderalen System organisiert werden. Das ist eine Besonderheit Deutschlands, die auf Interesse bei Ländern stoßen könnte, die ähnlich verfasst sind.
Was genau könnten andere Länder davon übernehmen?
Ein Unterschied zu zentral organisierten Staaten liegt darin, dass hier sehr viel auf Landesebene geregelt ist. Jedes Bundesland hat einen eigenen Wahlleiter, es gibt Landeslisten, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Ähnlich verfasste Staaten könnte interessieren, wie in Deutschland das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen geregelt ist und wie man trotz dieser Vielfalt bundesweit gleiche Bedingungen für die zur Wahl stehenden Parteien schafft.
Wie läuft Ihre Wahlbeobachtung ab?
Wir haben seit Mitte September ein kleines Team von zwölf Experten im Land, die aus allen Ecken der OSZE-Region kommen: Von den USA über die Schweiz und Russland bis zu Usbekistan. Bis zum Wahltag werden unsere Expertenteams alle Bundesländer bereist haben. Dort treffen sie sich mit Vertretern der Parteien, Landeswahlleitern und den Medien. Wir sind auch schon mit Vertretern des Bundesverfassungsgerichts zusammengekommen.
Wie sieht Ihre Arbeit am Wahltag selbst aus?
Der ist nicht Schwerpunkt unserer Beobachtung. Uns interessieren Faktoren wie Wahlgesetzgebung, Arbeit der Behörden, Medienberichterstattung. Weil die Wahltagsprozeduren breites Vertrauen der Bevölkerung genießen, ist unsere Vorabmission zum Schluss gekommen, dass eine systematische Beobachtung des Wahltages nicht notwendig ist. Aber natürlich werden die Kollegen unterwegs sein und sich in den Wahllokalen umschauen.
Gibt es eine Checkliste, die Ihre Kollegen abarbeiten müssen?
Gibt es. Allerdings wird der in Deutschland nicht so detailliert sein, wie in anderen Ländern, in denen demokratische Strukturen noch sehr schwach ausgeprägt sind. Für diese Staaten haben wir ausführliche Fragebögen, die die Beobachter durcharbeiten müssen.
Wie reagieren denn die Leute, mit denen sie gesprochen haben?
Wir sind sehr freundlich und offen empfangen worden. Das ist auch ein wichtiges Signal von Transparenz - sowohl nach innen als auch nach außen.
Gab es auch schon Beschwerden?
Natürlich nutzen die Parteienvertreter die Gespräche mit uns auch, um ihre Bedenken zum Wahlprozess zu äußern. Wir nehmen das zur Kenntnis und versuchen dem nachzugehen. Aber in der Öffentlichkeit äußern wir uns dazu nicht.
Wann werden Sie ihren Bericht über die Wahlkultur in Deutschland fertig haben?
In zwei Monaten. Die Analyse wird auch Verbesserungsvorschläge enthalten.
Wahlausschuss bei der Arbeit
Jens-Hagen Eschenbächer ist Sprecher der OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Demokratie in Warschau. Die Organisation entsendt regelmäßig Wahlbeobchter in OSZE-Staaten