"O'zapft is" heißt es seit Samstag wieder auf dem Münchner Oktoberfest. Mit drei Schlägen trieb Oberbürgermeister Christian Ude um Punkt 12.00 Uhr den Zapfhahn in das erste Fass und eröffnete damit die 174. Wiesn. Bei strahlendem Sonnenschein drängten sich bereits am ersten Wochenende des größten Volksfestes der Welt nach Angaben der Stadt etwa eine Million Besucher auf der Theresienwiese, tranken 500.000 Maß Bier und verzehrten elf Ochsen.
Letztes Mal die erste Maß
Zwölf donnernde Böllerschüsse gaben am Samstag nach dem offiziellen Anstich das Signal zum Ausschank in den 14 Festzelten, wo 100.000 Menschen seit 09.00 Uhr sehnsüchtig die erste Maß erwartet hatten. Vor über 6.000 Gästen im vollbesetzten Schottenhamel-Zelt überreichte Ude die erste Maß traditionsgemäß dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und stieß mit ihm "auf eine friedliche Wiesn" an. "Es ist wirklich schade, dass wir zum letzten Mal eine rein oberbayerische Besetzung haben", sagte Ude in Anspielung auf Stoibers baldigen Rücktritt als Ministerpräsident.
"Ich werde im nächsten Jahr einen Franken verköstigen müssen", erklärte der Münchner Oberbürgermeister im Hinblick auf Stoibers designierten Nachfolger Günther Beckstein. "Es war eine wunderbare Zeit, aber alles hat seine Zeit", sagte Stoiber, der zum 30. September zurücktreten will und beim Einzug ins Festzelt mit seiner Frau Karin unter Fanfarenklängen mit Applaus, aber auch Buh-Rufen begrüßt wurde. Am Sonntag ließ sich Stoiber mit seiner Frau zum 14. und letzten Mal beim traditionellen Trachten- und Schützenzug von etwa 200.000 Zuschauern beklatschen. Etwa 8.500 Trachtler aus Bayern, aber auch aus dem Ausland wie Österreich und den USA zogen durch München auf die Theresienwiese.
Stoiber: Kein Kamillentee im Krug
Stoiber kündigte an, der Anstich 2008 werde wahrscheinlich ohne ihn stattfinden, damit sein Nachfolger im Mittelpunkt stehe. "Zum Wohlbefinden brauch ich nicht die erste Maß - mir langt auch die sechste oder siebte", sagte er. Eines wolle er aber klarstellen: Gerüchte, wonach er statt Bier Kamillentee in seinem Steinkrug habe, seien "ein Schmarrn". Fahrgeschäfte werde er wegen des Sicherheitsaufwandes nicht besuchen können, sagte Stoiber. "Dafür bin ich früher viel Auto-Scooter und Karussell gefahren." Seine Frau Karin erklärte, sie könne mit dem Abschied sehr gut leben: "Ich strahle immer noch." Nun freue sie sich schon auf Wiesn-Besuche mit ihren Enkeln.
Mit drei Schlägen konnte Ude in diesem Jahr seinen Anzapf-Rekord von zwei Schlägen nicht halten. "Der zweite Schlag hätte genügt", erklärte er nach dem Anstich des 224-Liter-Fasses. "Mein Coach hat noch 'Passt schon' gerufen, aber da war der dritte Schlag schon unterwegs." Obwohl er bereits zum 14. Mal anzapfte, habe er vorher noch mal geübt, gestand Ude.
Mitgebrachte Würste überbrückten Zeit bis zum Anstich
Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hatte die Zeit bis zum Anstich mit mitgebrachten Würsten überbrückt. Vier bayerische Ministerpräsidenten habe er beim Anstich miterlebt, erzählte Gauweiler: "Mein Ziel sind 15." Bundespolitische Prominenz ließ sich beim diesjährigen Anstich kaum blicken. Es dominierten bayerische Landespolitiker wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Maget und seine Grünen-Kollegin Margarete Bause. Maget erklärte zu Stoibers Abschied: "Traurig bin ich nicht, aber ich werd ihn vermissen."
Aus Berlin war immerhin FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Anstich gekommen. "Ich genieß das. Hier wird nicht gestritten wie in Berlin", sagte sie. Volksmusiker und Moderator Florian Silbereisen hatte sich in Lederhose und Lederjanker ebenfalls einen Platz im Anstich-Zelt reserviert. Schauspieler Axel Milberg war extra von Dreharbeiten aus Kiel angereist, wollte sich aber trotz des langen Weges nur eine Maß Bier gönnen.
Karotte als Wurfgeschoss
Das größte Volksfest der Welt dauert bis zum 7. Oktober. Insgesamt werden sechs Millionen Gäste aus aller Welt erwartet. Die Wiesn lockt mit neuen Fahrgeschäften wie der 900 Meter langen Achterbahn "Höllenblitz" und einer riesigen "Gaudi-Schaukel", aber auch alteingesessenen Attraktionen wie dem Wiesn-Varieté Schichtl. Begehrteste Attraktion aber wird erneut das Festbier sein: Die Zelte mussten ihre Türen schon kurz nach der Eröffnung am Samstag wegen Überfüllung wieder dicht machen. Der Liter Bier kostet zwischen 7,30 Euro und 7,90 Euro und ist damit bis zu 40 Cent teurer als im Vorjahr. Auch in diesem Jahr wollen die Münchner Brauereien wieder sechs Millionen Maß Bier, eine halbe Million Hendl und rund 90 Ochsen an die Festbesucher bringen.
Die Polizei sprach von einem friedlichen Auftakt. Aus Übermut warf der Mann am Samstag eine 15 Zentimeter lange Karotte in Richtung der Frau, wie die Polizei am Sonntag berichtete. Die 29- Jährige erlitt eine Platzwunde unter dem Auge und musste ambulant behandelt werden. Der Amerikaner wurde am Tatort festgenommen, jedoch gegen eine Sicherheitsleistung wieder freigelassen. In München dürfen Biergarten-Gäste traditionell ihr eigenes Essen mitbringen.
Schweizer schlug Geisterbahn-Figur k.o.
Und ein schreckhafter Schweizer hat ein Gruselwesen in einer Geisterbahn k.o. geschlagen, berichteten die Beamten am Sonntag. Obwohl der mechanische Geist wegen seines grausigen Aussehens extra in einen Käfig gesperrt worden war, habe er den betrunkenen 22-Jährigen am Samstag gehörig das Fürchten gelehrt. Der junge Mann sei so erschrocken, dass er mit einem Holzstab nach der Gruselgestalt schlug und stach. Er traf den Geist durch die Drähte des Käfigs und beschädigte die Elektronik. Das Unterweltswesen muss repariert werden. Der Mann kam nach Zahlung einer Sicherheitsleistung auf freien Fuß.
300 Polizisten und 800 Ordner sollen für eine friedliche Wiesn sorgen. Mit zwölf Überwachungskameras und Kontrollen will die Polizei den Überblick behalten. Jeden Morgen werden angesichts von Terrorgefahr mit Sprengstoffhunden die Zelte kontrolliert. "Was gemacht werden kann und was sinnvoll ist, haben wir gemacht", so Polizeisprecher Wolfgang Wenger.