Die Amerikanerin Dian Fossey kam Ende der 1960er-Jahre nach Afrika – auf Drängen des Anthropologen Louis Leakey und finanziert von der National Geographic Society. Obwohl sie völlig unerfahren war in der Erforschung von Wildtieren, sollte sie sich dem Studium der Berggorillas widmen. 1973 war die Population in den Virunga-Bergen auf unter 275 gesunken. Dank strenger Schutzmaßnahmen leben heute dort etwa 480 Exemplare dieser Menschenaffenart.
Für die genetische Vielfalt sind mehr Gorillas ein Segen: Jahrelang hatten die Forscher Anzeichen von Inzucht dokumentiert, wie zum Beispiel zusammengewachsene Finger und Zehen oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Doch einen Nachteil hat die wachsende Affenpopulation auch: Die Gruppen sind jetzt größer und leben dichter beieinander. Zusammenstöße sind sechsmal so häufig wie vor zehn Jahren. Damit wächst das Risiko, dass sich die Gorillas gegenseitig verletzen oder den Nachwuchs konkurrierender Männchen umbringen.
Hätten die Berggorillas unbegrenzt Platz zum Herumstreifen, wäre die Situation nicht so gravierend. Doch der Vulkan-Nationalpark ist nur 160 Quadratkilometer groß, und ringsherum wachsen die Begehrlichkeiten. In der Nähe leben immer mehr Menschen, die sich ernähren müssen und dafür mehr Land brauchen. Regelmäßig missachten Dorfbewohner die Parkregeln. Sie klettern über die Mauer und schlagen Feuerholz, jagen Tiere, sammeln Honig und holen in der Trockenzeit ihr Wasser von dort.
Forscherin Dian Fossey und ihre Feinde
An einem kühlen Morgen wandere ich von Bisate nach Karisoke, der Forschungsstation, die Fossey 1967 eingerichtet hat. Das Lager bestand anfangs nur aus zwei Zelten in einem Wäldchen aus moosbewachsenen, bis zu 25 Meter hohen Kosobäumen. Es gibt einen Friedhof mit Holzschildern, die die Namen von 25 gestorbenen Gorillas tragen. Gleich daneben liegt Fosseys Grab, das eine Gedenktafel aus Bronze schmückt. Heute hat das deutlich erweiterte Karisoke Research Center seinen Sitz in einem modernen Bürogebäude im nahegelegenen Musanze. Von Fosseys Forschungsstation sind nur ein paar Reste der Grundmauern und hier und da ein Ofenrohr übrig geblieben.
Dian Fossey war nicht bei allen beliebt. Viele Einheimische empfanden diese große und sehr direkte Frau, die sich mit vielen anlegte, als Eindringling, wenn nicht gar als Hexe. Sie verstieß nicht nur gegen kulturelle Normen, sie stellte auch eine existenzielle Bedrohung für diejenigen dar, die vom Wald abhängig waren.

Fossey war eine Persönlichkeit, die polarisierte, aber wie die Schimpansenexpertin Jane Goodall sagte: "Wenn Dian nicht gewesen wäre, gäbe es wahrscheinlich heute in Ruanda keine Berggorillas mehr." Ihre 18 Jahre im Wald waren geprägt vom endlosen Ringen um die Finanzierung ihrer Arbeit und um akademische Anerkennung, doch vor allem waren sie ein physischer und psychischer Höllenritt.
Touristen pilgern zu den Berggorillas
Doch nach ihrem Tod sah man schnell ein, dass ihre Beerdigung im Nationalpark für das Land einen enormen symbolischen Wert haben würde. Im vergangenen Jahr wanderten mehr als 30.000 Menschen in den Park, von denen jeder für eine einstündige Begegnung mit einer Gorillagruppe 750 Dollar an das Rwanda Development Board zahlte. Mit der Gebühr, die inzwischen auf 1500 Dollar gestiegen ist, wird der Sicherheitsdienst im Park finanziert und gleichzeitig die Regierung in die Pflicht genommen, mehr für den Artenschutz zu tun.

Es ist später Vormittag, als mein Guide in einem dunklen Bambuswald die Sabyinyo-Gruppe aufspürt. Gihishamwotsi, ein Muskelberg, sitzt auf einer Lichtung und beaufsichtigt seinen Harem aus Weibchen und Jungtieren. Ab und zu grunzt er, ihm wird mit kehligen Lauten geantwortet. Plötzlich steht er abrupt auf, um sich auf die Brust zu trommeln.

Gekürzte Fassung aus: "National Geographic", Heft 10/2017, ab sofort am Kiosk, Preis: 6 Euro.
Ich hatte mich zuvor eingehend mit Gorillas beschäftigt und deshalb erwartet, dass sich meine Aufregung bei ihrem Anblick in Grenzen halten würde. Doch aus wenigen Metern Entfernung machen sie mich durch ihre schiere Körperlichkeit sprachlos: die Füße der Jungtiere, glatt und fleischig wie Yamswurzeln, die Bratwurstfinger der Mutter, der mächtige Unterarm des Silberrückens! Und ihre Gesten: Sie spielen mit ihren Zehen! Sie schmiegen ihre Gesichter an die Jungtiere! So groß mein Entzücken ist, so schnell folgt das schlechte Gewissen – dafür, dass wir ihre Privatsphäre verletzt haben.
Wenn man eine Gorillamutter sieht, die ihr winziges flauschiges Baby wiegt, während daneben ein paar Jungtiere auf einer Matte aus Ranken miteinander ringen, vergisst man leicht, wie viel menschliche Anstrengung notwendig ist, um dieses friedliche Bild zu ermöglichen.