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Follow Me: Warum Ryanair normal werden will
Vorab-Sitzplatzwahl, Senkung der Gepäckgebühren und endlich eine professionelle Website - mit einer Charme-Offensive versucht der Billigflieger verzweifelt neue Kunden in die Flieger zu locken.

Schluss mit lustig. Michael O'Leary ist das Lachen vergangen. Der Ryanair-Chef, der auf Pressekonferenzen gerne Grimassen schneidet und provokante Sprüche klopft, schlägt plötzlich andere Töne an. Zum ersten Mal in zehn Jahren musste er im Herbst seine Geschäftsziele herunterschrauben. Jetzt werden Strecken gestrichen, die auch Passagiere in Deutschland betreffen: weniger Flüge ab Hahn im Hunsrück, gar keine mehr ab Magdeburg-Cochstedt, einem Regional-Airport, der mit vielen Millionen Euro "Fördermitteln" über Jahre aufgepäppelt wurde. Im Sommerflugplan von Leipzig entfallen sogar alle Ryanair-Flüge nach Rom, Pisa, Faro, Malaga und Sizilien. Nur noch London steht auf dem Programm.

Hat der Billigflieger die Grenzen des Wachstum erreicht? Ja, denn um das Image der irischen Fluglinie steht es nicht zum Besten. Das britische Verbrauchermagazin "Which?" hat Ryanair beim Ranking der hundert wichtigsten Marken auf den letzten Platz eingestuft. Das ist nicht nur eine Ohrfeige, sondern zeigt auch: Der Ruf ist dermaßen ruiniert, dass weite Teile der Bevölkerung nicht daran denken, jemals eine Maschine von Ryanair zu betreten.

Diese Zielgruppe nimmt O'Leary nun ins Visier und startet eine Charme-Offensive. Ab sofort ist ein zweites Stück Handgepäck wie zum Beispiel eine kleine Duty-free-Tüte erlaubt. Ab Februar können Passagiere bestimmte Sitzplätze fest buchen, natürlich gegen Aufpreis. Schon bald sollen alle Reisende einen festen Sitzplatz zugewiesen bekommen. Damit dürfte das chaotische Wettrennen um die besten Plätze an Bord der Vergangenheit angehören.

Auch die Ryanair-Website wurde überarbeitet und wirkt nicht mehr wie die selbst gebastelte Homepage eines Vereins aus den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Statt vormals 17 Klicks reichen fünf Klicks für eine Buchung. Der Abschied vom Retro-Design signalisiert die strategische Richtungsänderung: Kundenfreundlichkeit ist angesagt. Sogar ein Reiseservice für Gruppen und Geschäftsleute wurde eingerichtet und der neue Posten eines Marketing-Chefs geschaffen.

Wird Ryanair zur normalen Fluglinie? Es sieht ganz danach aus. O'Leary hat den Kunden entdeckt, der Saulus wird zum Paulus. Doch bei Ryanair ist der Kunde nicht plötzlich König. Aus rein ökonomischen Gründen lässt sich der Gesinnungswandel erklären. Denn die Airline hat 175 weitere Jets bei Boeing bestellt, ersetzt damit nur zum Teil ältere Maschinen und muss die zukünftigen Flieger mit immer mehr Passagieren füllen. Mit einem Rüpel-Image geht das nicht.

Auf der andern Seite stehen die traditionellen Airlines, die immer mehr das Low-Cost-Prinzip für sich übernehmen. Lufthansa ersetzt die meisten Europa-Strecken durch Flüge der Billigtochter Germanwings. Wer bei Air France, KLM oder British Airways zum günstigen Tarif in Europa unterwegs ist, muss inzwischen ebenfalls für seine Koffer zahlen. Gastfreundschaft an Bord großer Airlines ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Über kurz oder lang nähern sich die Geschäftsmodelle von Billigflieger und Linienfluggesellschaft immer mehr an. In Ländern wie Großbritannien und Spanien haben die Billigflieger einen Anteil von 60 Prozent erreicht.

Aber wie gut der Service einer Airline ist, zeigt sich nicht im Flug, sondern am Boden, wenn der Flieger mal nicht abheben kann, aus welchen Gründen auch immer. Wird bei einer Flugstreichung vom Personal ein Ersatzflug oder eine Hotelübernachtung für die Betroffenen organisiert? Im Fall von Ryanair wird sich dann zeigen, wie kundenfreundlich die Airline wirklich ist und ob der Billigflieger die Passagierrechte respektiert.

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