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ITB Berlin Urlaub in Deutschland? Nö.

Die Klimaschutzdebatte könnte deutschen Urlaubszielen zu einem ungekannten Boom verhelfen. Doch statt mit frischen Konzepten Reisende vom Urlaub in der Heimat zu überzeugen, verschrecken die deutschen Aussteller auf der ITB mit Ideen von gestern.
Von Jens Maier, Berlin

Die Deutschen sind in diesem Jahr reisewillig wie nie. Ein Umsatzplus von zwei bis drei Prozent erwartet die Deutsche Zentrale für Tourismus für 2007. Laut der neuen Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) haben schon jetzt 70 Prozent der Bürger eine Urlaubsreise für dieses Jahr geplant, das sind drei Prozent mehr als 2006 und so viel wie seit 2001 nicht mehr. "Der Nachholbedarf ist groß, weil mancher wegen der Fußball-WM 2006 auf eine Urlaubsreise verzichtet hat", erklärte Klaus Laepple auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB). Und ausgerechnet jetzt vermiest die Klimadebatte der Branche die gute Stimmung. Urlauber sollen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten und auf lange Flugreisen zu exotischen Zielen verzichten - und stattdessen Ferien in der deutschen Heimat machen.

Von der Reisebranche allgemein mit einem Aufschrei quittiert, könnte sich die Forderung für die deutschen Ziele als Chance erweisen. Ein Drittel der Bundesbürger verbringt den Urlaub ohnehin jedes Jahr in heimatlichen Gefilden. Aufgrund der Klimadebatte könnte die Zahl weiter steigen und die deutschen Urlaubsziele mit geschicktem Marketing zu Gewinnern des neuen Umweltbewusstseins machen. Wenn da nicht die deutschen Aussteller auf der ITB wären. Denn wer sich beim Besuch der deutschen Stände über den Urlaub zu Hause informieren will, erlebt einen langweiligen Mix aus alten Ideen.

Deutschland in fünf Hallen präsent

Dabei sind die Grundvoraussetzungen für die Deutschen fantastisch. Während andere Länder sich aus Geldmangel mit einer Halle oder gar einem Stand begnügen müssen, schickt das Gastgeberland die einzelnen Bundesländer auf fünf Hallen verteilt ins Rennen. Deutschland ist der größte Aussteller auf der ITB. Dass Klasse manchmal jedoch besser als Masse ist, scheinen die deutschen Tourismus-Experten noch nicht verstanden zu haben. Statt mit innovativen Urlaubsideen junge Zielgruppen anzusprechen, bekommen Besucher Einladungen zum Wandern, Radfahren, ins Museum oder zum Essen.

"NRW statt JWD" propagiert Nordrhein-Westfalen auf einem Spruchband über der Eingangshalle. Die Gründe werden gleich nachgeliefert: fantastische Radwanderwege, neue Wanderrouten durch den Rothaarsteig und der Dom in Köln und die Altstadt in Düsseldorf. Wer neue Reise-Ideen sucht, sucht leider vergebens. Für einen Hauch neuer Impulse sollen ein paar Musicals im Ruhrpott, Museen in alten Bergwerkzechen und eine Indoor-Skihalle in Neuss sorgen. Noch tiefer in die Klischee-Kiste greift Rheinland-Pfalz: Romantischer Rhein, Römer und Ritter an der Bergstraße, Wandern durch den Westerwald und natürlich Wein-Reisen sind die Highlights der Pfälzer. Einzig die "Nürburgring-Holidays", stechen aus dem faden Angebot heraus.

Bundesländer geben sich eher einfältig

Sachsen-Anhalt wandert und Sachsen ist stolz auf sein Nudelcenter Riesa und setzt ganz auf Kultur - doch statt Ausstellungsstücke aus dem gerade eröffneten "Grünen Gewölbe" in Dresden an die Spree zu holen, verrichtet am Stand eine Bodypainting-Künstlerin ihr Werk. Auf kulinarische Highlights setzt Baden-Württemberg. Im letzten Jahr noch mit dem frischen Wind der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft einer der besten Stände, langweilen die Schwaben und Badener die Besucher in diesem Jahr mit dem Slogan Genießerland "BaWü". Auch Hamburg gibt sich Jahr schrecklich einfältig. "Kultur in Hamburg" ist das Motto, die Elbphilharmonie fest im Blick. Dass die erst in ein paar Jahren eröffnet wird, stört offenbar keinen. Auch Schleswig-Holstein zeigt wenig neue Urlaubsideen, dafür besinnt man sich darauf, was man wirklich gut kann: Ein riesiges Foto eines Ostseestrandes macht Lust auf Urlaub. Auf Marzipan aus Lübeck oder Sand aus Sylt verzichten die Nordlichter zum Glück ganz.

Als einziges Bundesland scheinen die Bayern nicht nur Rentner, sonder auch junge Leute ins Land locken zu wollen. Das zeigt sich schon am Eingang. Statt Spruchband steht da in großen Lettern www.bayern.by - die Internetadresse der Bayerischen Tourismus Marketing GmbH. Und dann kämpfen die Bayern ganz sportlich um neue Besucher: Die ITB wird kurzerhand zum "Internationalen Tourismus Biathlon" umgetauft. Besucher können ihr Geschick an einem Schießstand und auf einem Langlaufsimulator testen. Wer erfolgreich war, stärkt sich gleich nebenan mit alkoholfreiem Weißbier. Zwischendrin dürfen zwar auch Neuschwanstein und Allgäu nicht fehlen, doch mit dem Urlaubsklischee der weißblauen Lederhosenferien halten sich die Bayern wohltuend zurück. Mit der neuen BMW-Welt, die im Sommer in München eröffnet, und dem Audi-Museum in Ingolstadt können die Süddeutschen zusätzlich punkten.

Bayern als Lichtblick

Die Gastgeberstadt Berlin hat sich die Mühe eines aufwändigen Stands gleich ganz gespart. Wer in die Hauptstadt reist, weiß offenbar ohnehin warum. Vereinzelte Stände von Köpenick, den Airports Berlin, des Friedrichstadtpalastes und des Spielcasinos werden die Massen jedenfalls nicht nach Berlin locken. Nach dem Besuch der deutschen Hallen fällt das Fazit verhalten aus: Neue Impulse im Heimattourismus sind in diesem Jahr nicht zu erwarten. Besonders die ostdeutschen Bundesländer enttäuschen mit Ideenlosigkeit. Aber auch im Westen gibt's nicht viel Neues. Einzig Bayern glänzt mit einem gelungen Auftritt.

Anstelle von "Sylt statt Seychellen" könnte das Motto nach einem Besuch der ITB deshalb eher "Nix wie weg" lauten. Wer aus Umweltgründen 2007 dennoch auf eine Fernreise mit Flugzeug verzichten möchte, für den liefert die Deutsche Bahn die Rettung. Ab 10. Juni wird die Fahrtzeit von Frankfurt und Stuttgart nach Paris von sechs auf unter vier Stunden verkürzt. Das deutsche ICE-Netz wird an die TGV-Route angeschlossen, mit fünf Verbindungen täglich kann man umweltfreundlich aus Deutschland flüchten.

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