Wer sich das neueste Flugzeugmodell des Tui-Konzerns ansehen will, kann das in Brüssel in Ruhe tun. Seit Mitte März stehen dort gleich vier Boeing 737 Max, Baujahr 2018, auf dem Rollfeld. Die blauen Leitwerke mit dem roten Schriftzug sind exakt ausgerichtet, die Triebwerke mit Hauben verschlossen. Ähnlich sieht es in Manchester aus, wo fünf Jets stehen. Und in Amsterdam (2 Jets), Stockholm (2), Sofia (1) und Teneriffa (1). "Die Maschinen aus Sofia und Teneriffa haben es damals nicht mehr zurückgeschafft", sagt Aage Dünhaupt, Sprecher von Tui Aviation, die die Maschinen für den Reisekonzern Tui betreibt. Zu schnell hatten Luftfahrtbehörden weltweit Flüge mit der 737 Max verboten.
Auslöser waren zwei sehr ähnliche Unglücke des erst seit zwei Jahren ausgelieferten Boeing-Modells. Zuerst stürzte am 29. Oktober 2018 Lion-Air- Flug 610 kurz nach dem Start in der indonesischen Hauptstadt Jakarta fast senkrecht in die Javasee. 189 Menschen verloren ihr Leben. Dann fiel am 10. März 2019 nach dem Start in Addis Abeba Ethiopian- Airlines-Flug 302 vom Himmel. 157 Tote.
Schnell wurde klar: Offenbar hatte der Computer der Flugsteuerung zumindest eine Teilschuld an den Unglücken. Die Behörden ordneten Flughöhe null an. Inzwischen stehen fast 500 Boeing 737 Max überall auf der Welt auf Flughäfen herum, und die Produktion läuft weiter. Tag und Nacht entwickelt und testet Boeing eine neue Version der fehlerhaften Software.
300 Millionen Euro Zusatzkosten für Tui
Wenn die fertig ist, müssen Luftfahrtbehörden weltweit sie zulassen. Einen Zeitplan dafür gibt es nicht, denn es ist viel Vertrauen in den Luftfahrtkonzern verloren gegangen. "Das Letzte, was ich will, ist, einen Termin nennen, zu dem wir das Flugverbot aufheben", sagte Dan Elwell, Leiter der US-Luftfahrtbehörde FAA, nach einem Treffen mit Abgesandten von Boeing-Chef Dennis Muilenburg. Das klingt nicht optimistisch. Die indonesische Flugaufsicht hat bereits angekündigt, sie wolle zu den Letzten gehören, die den Jet wieder in die Luft lassen. Möglicherweise erst weit im Jahr 2020. Und auch in Europa wird sich Boeing vielen Fragen stellen müssen.
All das sind schlechte Nachrichten für Tui: Insgesamt 23 der vermeintlich hochmodernen Flugzeuge hatte der Reisemulti für seine verschiedenen europäischen Töchter bestellt. Sie sollten leiser, leistungsfähiger und dabei sparsamer sein, hatte Boeing versprochen.
Zumindest der letzte Punkt ist erst mal widerlegt, denn selbst am Boden sind die Flugzeuge für den Konzern teuer: Für das Parken auf dem Vorfeld berechnet zum Beispiel der Flughafen Brüssel rund 60 Euro – pro Stunde. Die Tui beziffert die finanzielle Belastung bis August insgesamt auf rund 300 Millionen Euro. Auch andere Airlines haben schon hohe dreistellige Millionenbeträge als Kosten geltend gemacht. "Die Leasing-Kapazitäten für Ersatzmaschinen sind sehr knapp, die Preise entsprechend hoch", sagt Tui-Mann Dünhaupt. Sein Unternehmen habe sich auf Ausfälle bis Ende Juli vorbereitet, danach müsse man sehen.
Für Urlauber sind die 737-Probleme keine guten Nachrichten, denn vor allem auf Ferienflüge spezialisierte Airlines haben den Problem-Flieger gekauft. Neben Tui-Maschinen stehen momentan auch welche der Lufthansa-Tochter Sun Express, von Ryanair, Norwegian oder Turkish Airlines am Boden.
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