Vom Klimawandel bedroht Traumstrände, aber kaum Touristen: Tuvalu ist das am wenigsten besuchte Land der Welt

Strand auf Tuvalu
Weißer Sand und wolkenloser Himmel, dazwischen Palmen und das Meer: Tuvalu hat das potential zum Traumziel. Allerdings könnte man künftig vielleicht nur noch virtuell dorthin reisen.
© robertharding / Imago Images
Der Inselstaat Tuvalu ist trotz traumhafter Strandkulisse das am wenigsten besuchte Land der Welt. Wegen seiner abgeschiedenen Lage ist Tuvalu schwer zu erreichen – und massiv vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Ein Porträt über ein Land, das in einigen Jahrzehnten nur noch im Metaverse existieren könnte. 

Palmenwälder, türkisblaues Wasser, Korallenriffe und das ganze Jahr über Sonnenschein – für die meisten Urlauber liest sich diese Aufzählung vermutlich wie die Beschreibung ihres Traumziels. Doch obwohl Tuvalu all das bietet, ist der Staat nach Angaben der UN-Welttourismusorganisation UNWTO (United Nations World Tourism Organization) das am wenigsten besuchte Land der Welt. Im Jahr 2019 zählte das im Pazifik gelegene Archipel gerade einmal 3600 Besucher. Amnesty International spricht treffenderweise von einem "Inselstaat, den niemand kennt" – und der in einigen Jahrzehnten unter dem steigenden Meeresspiegel verschwinden könnte. Deshalb soll Tavalu die erste "digitale Nation" der Welt werden.

Neun Inseln auf 24 Quadratmetern: Fakten über Tuvalu

Tuvalu besteht aus neun Inseln, die zwischen Hawaii und Australien liegen. Die Fläche des Landes misst nur 26 Quadratkilometer, die zugehörige Meeresfläche beträgt jedoch 1,3 Millionen Quadratkilometer. Trotzdem gilt das Land als viertkleinster Staat der Welt. Fünf der Inseln sind Korallenatolle, die anderen vier bestehen aus Land, das sich vom Meeresboden erhebt. Tuvalu ist eine parlamentarische Demokratie unter konstitutioneller Monarchie. Der Inselstaat steht unter britischer Flagge, daher ist König Charles III. das offizielle Staatsoberhaupt. Regiert wird das Land hingegen von Premierminister Kausea Natano.

Rund 12.000 Menschen leben in Tuvalu, die Hauptstadt heißt Funafuti. Auf den Inseln herrscht tropisches Seeklima. Die Temperaturen bewegen sich ganzjährig zwischen 25 und 30 Grad. Anfang November bis Ende April ist mit starken Winden zu rechnen, die teilweise Zyklonstärke erreichen können. Monsunartige Regenfälle können Überschwemmungen und Erdrutsche zur Folge haben, informiert das Auswärtige Amt. Zudem liegt Tuvalu in einer seismisch aktiven Zone, weshalb es zu Erdbeben und vulkanischen Aktivitäten kommen kann.

Die Geschichte von Tuvalu

Laut der "Encyclopedia Britannica" wurden acht der insgesamt neun Inseln erstmals im 18. Jahrhundert besiedelt, was ihnen ihren heutigen Namen verleiht: "Tuvalu" beutetet so viel wie "Gruppe von Acht". Lediglich Niulakita, die kleinste und südlichste Insel, bleib bis zur Ankunft der Europäer unbewohnt. Ihren heutigen Namen nahm die Inselgruppe jedoch erst nach ihrer Unabhängigkeit an. Davor hieß das Archipel Ellice Islands. Zwischen 1850 und 1855 fielen die Inseln dem sogenannten "Blackbirding" zum Opfer. Der Begriff bezeichnet die Entführung von Inselbewohnern des Südpazifiks zur Zwangsarbeit. Die Einheimischen wurden nach Fidschi und Queensland verschleppt, wo sie auf Plantagen schuften mussten. Die Ausbreitung europäischer Krankheiten dezimierte die Bevölkerung zusätzlich – von 20.000 auf 3000. Im Jahr 1863 entführen peruanische Sklavenhändler noch einmal 400 Inselbewohner, was fast zwei Drittel der Bevölkerung der Inseln Funafuti und Nukulaelae entsprach.

Blick auf Tuvalu
Nachdem das Land seine Unabhängigkeit erlangt hatte, bemühte sich die Regierung Tuvalus vor allem um eine stabile Infrastruktur und Beziehungen zum Ausland
© AAP / Imago Images

1892 wurden die neun Inseln ein Protektorat des britischen Empire und ab 1916 Teil der britischen Kolonie Gilbert und Ellice Islands. Die 1960er-Jahre waren geprägt von rassistischen Spannungen zwischen den Bewohnern der Gilbert und der Ellice Islands, wobei es hauptsächlich um die Konkurrenz um Arbeitsplätze ging. Die Rufe nach Abspaltung wurden immer lauter. Nach einem Referendum erlangten die Ellice Islands den Status einer separaten Kolonie, 1978 schließlich die Unabhängigkeit und damit den Namen Tuvalu. Der Inselstaat ist mittlerweile ein Mitglied der Vereinten Nationen. Diese setzten das Land laut der BBC bereits 1989 auf eine Liste von mehreren Inselgruppen, die im 21. Jahrhundert aufgrund der globalen Erwärmung am ehesten im Meer verschwinden werden.

Reise nach Tuvalu: Wissenswerte Infos für Touristen

Die Wirtschaft von Tuvalu fußt hauptsächlich auf Fischerei und Landwirtschaft. Trotz der vergleichsweise geringen Besucheranzahl sind Urlauber aus dem Ausland ebenfalls eine wichtige Einnahmequelle. Gegen Massentourismus hat sich der Inselstaat jedoch klar ausgesprochen. Dies wäre aufgrund der kleinen Fläche Tuvalus ohnehin nicht möglich. Die Schlafplätze für Urlauber sind beschränkt: Insgesamt 13 Hotels, Hostels und Lodges listet Tripadvisor aktuell für Tuvalu auf. Ein weiterer Grund für die wenigen Touristen ist die abgeschiedene Lage des Archipels. Die Anreise ist weit und teuer. Besucher müssen zuerst auf die Fidschi-Inseln reisen, um von dort nach Tuvalu zu fliegen – der allerdings nur einmal in der Woche abhebt. Wie "Travelbook" berichtet, ist der Flughafen von Tuvalu nicht einmal eingezäunt und verwandelt sich außerhalb der Flugzeiten zu einem gigantischen Sport- und Spielplatz.

Wer dennoch den weiten Weg auf sich nimmt und nach Tuvalu reist, findet sich an einem paradiesischen und entspannten Urlaubsziel wieder. Neben Strandbesuchen und ausgedehnten Schnorchel-Touren bietet Tuvalu eine Handvoll Sehenswürdigkeiten. Darunter die Funafuti Conservation Area, ein Meeresschutzgebiet mit spektakulärer, unberührter Natur. Eine weitere Attraktion ist das Philatelie-Büro, das farbenfrohe Tuvalu-Briefmarken ausstellt. Nach Angaben der Wirtschaftskammer Niederösterreich sind Briefmarken neben getrockneten Kokoskernen (Kopra) das wichtigste Exportgut des Landes.

Seit Dezember vergangenen Jahres dürfen Touristen nach der Corona-Pandemie wieder nach Tuvalu einreisen. Deutsche Staatsangehörige brauchen einen Reisepass, bei einem Aufenthalt von bis zu 90 Tagen aber kein Visum. Bezahlt wird in dem Inselstaat mit dem Australischen Dollar, von dem Reisende genug in bar mitbringen sollten. Denn: "Es gibt in Tuvalu keine Möglichkeit, Geld an Bankautomaten abzuheben. Auch die Bezahlung mit Kreditkarte ist nicht möglich", heißt es auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Auf den Straßen herrscht Linksverkehr. Die Verständigung mit Einheimischen sollte problemlos möglich sein. Neben Tuvaluisch ist Englisch die offizielle Amtssprache des Landes. Den Inselbewohnern wird zudem eine große Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft nachgesagt.

Wie Tuvalu dank seines Namens Millionen verdient

Ein weitere – eher ungewöhnliche, aber sehr bedeutende – Einnahmequelle des Landes ist sein Name. Als Ende der 90er-Jahre jeder Staat eine Internet-Domäne erhielt, wurde Tuvalu das Suffix .tv zugeteilt. Ein US-amerikanisches Start-up bot der Regierung 50 Millionen Euro für den Punkt und die beiden Buchstaben an. Seit 2001 verkauft das Unternehmen in Kalifornien die URL-Endung an Fernsehsender auf der ganzen Welt. Noch immer verdient Tuvalu an jeder Website, die auf .tv endet, Geld. Dabei kommt jährlich eine Summe von bis zu fünf Millionen Dollar zusammen.

Klimawandel: Dürre und steigender Meeresspiegel bedrohen Tuvalu

Der Klimawandel ist für Tuvalu von einer Prophezeiung zur Realität geworden. Steigende Temperaturen und Dürre machen dem Land zu schaffen. Naturkatastrophen haben zugenommen. Wetteraufzeichnungen zeigen, dass es in den 70ern und 80ern nicht mehr als ein, zwei schwere Wirbelstürme in Tuvalu gab. Seit den 90er-Jahren sind es fünfmal so viele. Die größte Bedrohung ist jedoch der steigende Meeresspiegel. Der Inselstaat ragt an seiner höchsten Stelle gerade mal fünf Meter aus dem Wasser. Bis zu 40 Prozent des Hauptstadtbezirks stehen bei Flut unter Wasser.

Mann fährt auf einem Motorrad über eine überschwemmte Straße auf Tuvalu
Die Uno hat Tuvalu als "extrem anfällig" für den Klimawandel eingestuft. Die Folgen der Erderwärmung gehören zum Alltag der Bewohner.
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"Wir haben fast das ganze Jahr über Hochwasser", sagte Hilia Vavae, Meteorologin der Wetterwarte Tuvalu, bereits 2010 im Gespräch mit "Deutschlandfunk". Schon in den nächsten Jahrzehnten könnte der Inselstaat weitgehend überschwemmt werden. Spätestens 2100 wird er den Vorhersagen zufolge im Ozean verschwinden. Zudem macht das salzige Meerwasser den ohnehin nährstoffarmen Boden immer unfruchtbarer. Laut "Deutschlandfunk" flohen bereits bis 2010 etwa 5000 Menschen von den Inseln. Weitere Tausende könnten folgen. Eselealofa Apinelu, Tuvalus ehemalige Generalstaatsanwältin und derzeitige Hochkommissarin für Fidschi, fordert, dass andere Länder den Insulanern die Migration erleichtern sollten. Wie Neuseeland zum Beispiel, das die Flut seit 2014 als Fluchtgrund anerkennt.

Tuvalu soll zur "digitalen Nation" werden

Unterdessen arbeitet der Staat an einer virtuellen Kopie des Archipels. Die Insel soll im Metaverse, einer Online-Welt, die Augmented und Virtual Reality nutzt, um User bei der Interaktion zu unterstützen, nachgebildet werden. Somit sollen Wahrzeichen, Geschichte und Kultur erhalten bleiben. "Stück für Stück werden wir unser Land bewahren, unserem Volk Trost spenden und unsere Kinder und Enkelkinder daran erinnern, was unsere Heimat einst war", sagte Außenminister Simon Kofe in einem Video, das er anlässlich der Weltklimakonferenz in Ägypten im November vergangenen Jahres auf Twitter teilte.

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"Inseln wie diese werden die rasante Erwärmung, den steigenden Meeresspiegel und die Dürren nicht überleben, also bauen wir sie virtuell nach", begann er seine Ansprache. Tuvalu habe keine andere Wahl, als "die erste digitale Nation der Welt" zu werden. Und weiter: "Das Land, der Ozean und unsere Kultur sind die wertvollsten Güter unseres Volkes. Um sie vor Schaden zu bewahren, egal was in der physischen Welt passiert, bewegen wir sie in die Cloud." Während seiner kurzen Rede steht der Politiker selbst bereits an einem computergenerierten Strand in einem ansonsten schwarzen, virtuellen Raum.

"Die Idee ist, weiterhin als Staat zu fungieren und darüber hinaus unsere Kultur, unser Wissen, unsere Geschichte in einem digitalen Raum zu bewahren", sagte der Außenminister der Nachrichtenagentur Reuters. Bereits im Vorjahr hatte der Auftritt des Politikers bei der Weltklimakonferenz in Glasgow für Aufsehen gesorgt. Damals stand er bei seiner Rede knietief im Wasser. Derzeit unternimmt der Inselstaat Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Tuvalu, auch wenn es vollständig überflutet ist, weiterhin international anerkannt wird und seine maritimen Grenzen sowie die Ressourcen innerhalb dieser Gewässer erhalten bleiben. Als "die letzte Option für den Inselstaat", benennet es der "Tagesspiegel". Sollte Tuvalu eines Tages tatsächlich im Wasser verschwinden, können nachfolgende Generationen "wenigstens noch die digitalisierte Idee des Landes ansehen."

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