Hans Meyer war eigentlich nur Fussballinsidern ein Begriff, als er 1999 den Trainerjob bei der Borussia Mönchengladbach übernahm. Schnell präsentierte sich der 60-jährige,im ostdeutschen Briesen geborene Meyer als echte "Type" in der Gilde der Bundesligatrainer. Als er im März 2003 überraschend aus persönlichen Gründen seinen Rücktritt erklärte, war trotz der damaligen Niederlagenserie seiner Fohlen die Trauer bei den Fans groß. Durch seine kauzige Volkstümlichkeit, seine oft bissige Ironie und seinen Sprachwitz hatte er sowohl unter Fans als auch unter Journalisten längst Kultstatus erreicht.
Witz und Selbstironie
Seine Kommentare, egal ob zu Spielen, Spielern oder den üblichen Begleitgeräuschen, waren trocken, knapp und treffend. Sie hatten immer hohen Unterhaltungswert. Auch seine Spieler wussten nie genau, ob er das, was er in die Mikrofone sprach, ironisch meinte. "Er ist wahrscheinlich der Einzige, der immer weiß, ob das nun ernst gemeint war oder nicht", seufzte einmal der Borussen-Profi Marcel Ketelaer. Mit den Boulevardzeitungen, vor allem der Zeitung mit den großen Buchstaben, hatte er so seine Schwierigkeiten. Und in seinen letzten Monaten als Trainer bei Borussia auch mit einigen aufmüpfigen Spielern wie Markus Münch oder Marcel Witeczek, die am Ende den vorzeitigen Rücktritt mit herbeiführten. Seine Qualität als Trainer wurde von keinem Experten wirklich bestritten.
Erfolgreiche Zeit
Meyers Leben drehte sich 50 Jahre nur um den Fußball, davon war er 25 Jahre als Trainer in der DDR tätig. Mit dem Fussballspielen begann er 1958 beim kleinen Verein Motor Dielas. Als aktiver Fußballspieler wurde er später mit seinem Verein Carl Zeiss Jena zweimal Oberligameister. 1970 wurde er dort Assistenttrainer und avancierte mit 29 Jahren zum jüngsten Trainer der DDR-Oberliga. Erfolge blieben nicht aus: Er wurde viermal DDR-Vizemeister, gewann dreimal das Pokalfinale und stand 1981 im Europapokalfinale der Pokalsieger, das allerdings verloren ging.
Erst 1996, als die meisten Spieler aus dem Osten längst dem Ruf des schnellen Geldes in den Westen gefolgt waren, machte er "rüber". Nach Holland, wo er den dortigen Erstligisten Twente Enschede fünf Jahre betreute. Bis er dem Ruf der deutschen Bundesliga erlag und 1996 beim damaligen Tabellenletzten der Zweiten Bundesliga, Borussia Mönchengladbach, anheuerte. Den Traditionsverein führte er in die Erste Liga zurück.
Anwalt des DDR-Fußballs
Seine Sprachgewandtheit und seine Beliebtheit bei der schreibenden Zunft nutzte Meyer oft, um die Ignoranz der Bundesliga gegenüber den Leistungen des DDR-Fußballs aufzuzeigen. Die Bundesliga habe zwar aufgrund viel besserer Rahmenbedingungen ein viel höheres Niveau gehabt als die DDR-Liga, aber die mediale Betrachtung des Bundesligafußballs aus der Distanz habe die "Leistungswirklichkeit" der Liga doch oft "verzerrt", wie er in einem Interview mit der Super-Illu vor zwei Jahren süffisant konstatierte. Man sei schließlich mit Jena auch mal auf den gefürchteten Betzenberg gefahren und habe dort die Roten Teufel besiegt.
Medienzirkus Bundesliga
In der DDR habe er "sich nie gefesselt gefühlt", meinte er einmal über sein Leben im SED-Staat. Die Stasi-Vorwürfe, die im Sommer 2002 vom Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL verbreitet wurden, erwiesen sich als unbegründet. Unmittelbar in der Wendezeit in die Bundesliga zu wechseln, hätte Meyer schon sehr gereizt, wie er in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" zugestand. Er habe schnell erkannt, dass man in dem medienbeherrschten Bundesligageschäft nur dann eine Chance hätte, wenn man dort eine Basis habe. "Ich hätte mir einen Mann nehmen müssen, der für mich klappern geht", stellte Meyer im Nachhinein klar. Trocken, wie es seine Art ist.
Inzwischen ist das nicht mehr nötig. Als Hans Meyer am 3. November 2003 60 Jahre alt wurde, waren die Zeitungen voll mit Glückwünschen. Sein Nachfolger, Ewald Lienen, meinte sogar, unter anderen politischen Umständen könnte Meyer heute Trainer bei Bayern München oder Borussia Dortmund sein.
Der Rummel hat sich nach seinem Rücktritt vom Traineramt in Mönchengladbach etwas gelegt. Zur Zeit ist er im Ruhestand und arbeitet an seiner Resozialisation. Ein normales Leben führe man in seinem Beruf, besonders in der Bundesliga nämlich nicht. "Man entwurzelt sozial ein bisschen. Geh mal abends in Theater, wenn Du dreimal verloren hast", reflektierte er einmal das eigene Tun.