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Wechselbörse Eine Liga auf Trainersuche

Das Trainer-Karussell in der Fußball-Bundesliga dreht sich immer schneller: Drei Clubs suchen noch einen Coach, insgesamt sieben Vereine werden mit neuen Trainern in die nächste Saison starten - so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. Wer bei wem im Gespräch ist.
Von Tim Schulze und Marius Koch

Der dritte vorzeitige Trainer-Rückzug aus der Fußball-Bundesliga innerhalb einer Woche hat in der Branche heftige Kritik ausgelöst und das Personalkarussell auf Hochtouren gebracht. Nach der unerwarteten Demission von Christoph Daum beim 1. FC Köln (zuvor hatten Martin Jol in Hamburg und Hans Meyer in Mönchengladbach von sich aus ihre Stühle geräumt) stehen sieben Clubs vor Beginn der neuen Spielzeit vor einem Neuanfang, möglicherweise kommen Bayer Leverkusen Hertha BSC hinzu. Das ist die höchste Zahl seit über 20 Jahren. Vor der Saison 1978/1979 starteten gar elf Vereine mit einem neuen Coach in die Saison. Einen neuen Trainer konnten bisher Meister VfL Wolfsburg (Armin Veh), Bayern München (Louis van Gaal), FC Schalke 04 (Felix Magath) und Borussia Mönchengladbach (Michael Frontzeck) verpflichten.

DFB-Sportdirektor Matthias Sammer kritisierte den neuen Trend, dass sich Trainer nun plötzlich nicht mehr an Verträge gebunden fühlen. "Für die Vorbildwirkung hat es verheerende Auswirkungen auf die Spieler und deren Umfeld. Da ist argumentativ Tür und Tor geöffnet, sich nicht mehr moralisch an Vereinbarungen zu halten", sagte Sammer.

Auch Trainer-Ikone Ottmar Hitzfeld zeigte sich verwundert über die Entwicklung. "Ich bin gespannt, was Felix Magath einem Spieler antworten wird, der sagt: Ich habe einen Vertrag, will aber trotzdem weg", sagte Hitzfeld. Allerdings ist im Fall Magath unklar, ob der Erfolgscoach bei seinem Wechsel von Meister VfL Wolfsburg zum FC Schalke 04 tatsächlich vertragsbrüchig geworden ist.

Sammer erkennt eine deutliche Trendwende in der Beziehung zwischen Fußball-Lehrer und Arbeitgeber. "Früher hat man die Trainer mit Füßen getreten. Sie galten als das schwächste Glied in der Kette. Jetzt werden die Trainer in ihrer Denkweise selbstständiger, zeigen, dass sie Qualität haben und sich gewisse Dinge aussuchen können", befand der DFB-Sportdirektor.

Jetzt eröffnen sich für viele arbeitslose Trainer neue Job-Perspektiven. Gehandelt werden die branchenüblichen Namen wie Michel Skibbe, Mirko Slomka, Thomas von Heesen, Bernd Schuster und viele andere. stern.de beleuchtet die Situation bei den Clubs, die noch suchen oder wo es kriselt. Außerdem: Welche Trainer sind überhaupt zu haben?

Hamburger SV

Die Situation des Hamburger SV ist mit der des 1. FC Köln gut vergleichbar. Auch Martin Jol nahm nach einer passablen Saison vorzeitig seinen Hut, weil es zu Meinungsverschiedenheiten mit HSV-Vorstand Bernd Hoffmann über die Zukunftsgestaltung des Vereins gekommen war. Jol, der nun bei Ajax Amsterdam anheuert, wollte weiter in den Kader investieren und teuere Stars verpflichten, Hoffmann wollte finanziell keine Risiken eingehen.

Wunschkandidat beim Hamburger SV ist Bruno Labbadia, mit dem schon vor der letzten Saison intensive Gespräche geführt wurden. Der einzige Haken: Labbadia ist, wie von vielen angenommen, noch immer nicht in Leverkusen gefeuert worden. Deshalb kursieren jetzt auch die Namen von Mirko Slomka und Lucien Favre an der Elbe. Ein Wechsel von Favre nach Hamburg ist indes wenig wahrscheinlich, weil ihm Berlin keine Freigabe erteilen will. Mirko Slomka ist hingegen auf dem Markt und könnte durchaus zum HSV passen. Besonders mit jungen Spielern kommt Slomka gut klar und könnte dem HSV helfen, auch ohne die ganz großen Namen, eine schlagkräftige Truppe zu formen.

Eintracht Frankfurt

Nach fünf langen Jahren sind sie den ungeliebten Friedhelm Funkel doch noch los geworden. Als in der Rückrunde der vergangenen Saison die Punkte und Siege ausblieben, waren die Kritiker in Frankfurt nicht mehr zu besänftigen. Funkel erklärte am Ende seinen Abschied, aber er hätte auch keine Chance mehr gegen seine Widersacher in den eigenen Reihen gehabt. Eintracht-Chef Heribert Bruchhagen konnte seine schützende Hand nicht mehr über den von ihn geschätzten Trainer halten, so wie er es in den vergangenen Jahr stets getan hatte. Aber jämmerliche 14 Punkte in der Rückrunde sind kein Argument für eine weitere Zusammenarbeit. Die Vorwürfe lauteten: Unattraktiver Sicherheitsfußball, Spieler hätten sich unter Funkel nicht weiterentwickelt, zu spröde in der Außendarstellung. Irgendwie glitzerte und funkelte Funkel vielen Frankfurtern nicht genug. Sein kühler Realitätssinn war vielen in der Bankenmetropole nicht glamourös genug.

Das ist zwar alles blanker Unsinn, denn Funkel hat sehr erfolgreich in Frankfurt gearbeitet. Aufstieg und Etablierung in der Bundsliga, das Erreichen des DFB-Pokal-Endspiels und Uefa-Cup-Teilnahme - und das alles in einem Umfeld, in dem es früher notorisch chaotisch zuging und bei dem eine überhitzte Selbstwahrnehmung zu ebenso notorischer Selbstüberschätzung führt.

In Frankfurt wünscht sich dieses Umfeld jetzt einen Trainer, der die Quadratur des Kreises beherrscht. Soll heißen: Mit geringem Etat soll er eine Mannschaft zusammenstellen, die attraktiven Offensiv-Fußball spielt und mindestens einen einstelligen Tabellenplatz am Ende der Saison belegt - und am besten verwandelt er mittelmäßige Spieler zu Ballkünstlern so wie Jesus aus Wasser Wein gemacht hat. Diese unrealistische Erwartungshaltung erschwert die Trainersuche. Auf jeden Fall suchen sie einen "Anti-Funkel"("Frankfurter Rundschau"). Mirko Slomka und Michael Skibbe stehen im Moment bei jedem Club, der sucht, auf der Liste. Beide Trainer haben bisher besser dotierte Clubs (Schalke, Leverkusen, Galatasaray Istanbul) trainiert. Dass sie zu einem Club wie der Eintracht gehen, ist unwahrscheinlich, obwohl Skibbe schon in Frankfurt gesichtet wurde! Wer könnte es sonst noch machen? Uwe Rapolder, Thomas Doll oder gar Lothar Matthäus? Vielleicht passt Letzterer mit seiner Profilneurose und seinem Anspruchsdenken ganz gut zur Eintracht. Die Entscheidung soll noch in dieser Woche fallen.

1. FC Köln

Der plötzliche Abgang von Ikone Christoph Daum schlug beim FC ein wie eine Bombe und traf den Verein völlig unerwartet. Die Millionen von Fenerbahce Istanbul lockten Daum in die Türkei, wo er ein deutlich üppigeres Gehalt bezieht und vor allem die Hoffnung hegt, auf die großen Bühnen des europäischen Fußballs zurückzukehren. Diese Perspektive hat Daum bei den Kölnern nicht mehr gesehen, wobei es außerdem zu Meinungsverschiedenheiten über Transferfragen mit den Kölner Bossen Overath und Co. gekommen sein soll.

Von der viel zitierten "Herzensangelegenheit" (Christoph Daum über "seinen" 1. FC Köln) ist nichts außer einem leeren Trainerstuhl geblieben, der die Geißböcke nun zu dringendem Handeln treibt. Doch wer soll übernehmen? Der Kölner "Express" sieht Michael Skibbe, den Manager Michael Meier aus seinen Dortmunder Zeiten kennt, als Top-Favoriten für die Daum-Nachfolge. Die Fans stimmen hingegen im Vote eindeutig für Mirko Slomka.

Skibbe verfügt sicherlich über ein hervorragendes Fußballfachwissen, ist an seiner unscheinbaren Außendarstellung allerdings schon in Leverkusen gescheitert. Im Gegensatz zum kleinen Nachbarn ist Köln, was die öffentliche Erwartung angeht, das reinste Haifischbecken. Gerade das "sich selbst verkaufen können" gehört zum FC, wie der Dom zu Köln. Christoph Daum ist in diesem Bereich ein Meister, wobei er vor allem mit seiner ausgefeilten Rhetorik bestach. Mirko Slomka und der FC: Das würde schon eher passen. Slomka ist ein Mann des Volkes, äußerst sympathisch und ebenfalls redegewandt. Außerdem hat Slomka bei Schalke 04 bewiesen, dass er sowohl mit einem großen Kult-Club, als auch mit unbequemen Stars umgehen kann.

Hertha BSC Berlin

"Ob nun Hamburg oder irgendein anderer Club anfragt, Lucien Favre besitzt in Berlin einen Vertrag bis 2011. Wir haben zusammen noch sehr viel vor", sagte Manager Dieter Hoeneß der "B.Z.". Das ist die Ansage aus Berlin an alle Interessenten. Lucien Favre hat den Berlinern in der letzten Saison viel Freude bereitet und den Hauptstadt-Club in die Europa League geführt. Trotzdem eckte er mit Stars wie Voronin, Pantelic oder Friedrich an und verbannte sie teilweise auf die Bank. Auch diese Aussage in der "Sport-Bild" spricht nicht für eine langfristige Zukunft des Schweizers in Berlin: "Ich gestehe: Manchmal ist es ein wenig frustrierend. Wir waren auch an großen Talenten wie Marin und Holtby dran. Doch wir können uns beide nicht leisten. Das ist schwierig für mich hinzunehmen."

Doch wer könnte gegebenenfalls sein Nachfolger werden und die Berliner in der Erfolgsspur halten? Thomas Doll, Friedhelm Funkel oder gar Bernd Schuster? Alle sind renommierte Trainer, doch bei genauerer Überlegung wird deutlich: Doll ist zu brav, Funkel kommt bei den Fans nicht gut an und Schuster dürfte zu teuer sein. Favre und Berlin, das läuft ganz gut und sollte auch so bleiben.

Bayer Leverkusen

In Leverkusen ist die Situation verfahren. Noch hat der Bayer-Club die von allen vermutete Trennung von Trainer Bruno Labbadia nicht bekannt gegeben. Im Moment laufen Gespräche, man analysiert die Lage. Labbadia wurde vor der Saison geholt, weil er als aufgehender Stern unter den jungen Trainern galt. Extrem ehrgeizig, diszipliniert, eine offensive Spielphilosophie, und mit positiver Außendarstellung ausgestattet, sollte er die unerfahrene, aber hochwertige Mannschaft mindestens auf den fünften Rang führen und den Einzug in internationale Geschäft schaffen - das ging auf ganzer Linie schief. Nach einer glanzvollen Hinrunde stürzte das Team in eine Krise und fand nicht mehr heraus. Es heißt, das Verhältnis zwischen Spielern und Trainer sei zerrüttet. Labbadia sei zu hart und nehme zu wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Jungstars. Die Mannschaft soll in einer Abstimmung mehrheitlich gegen ihn gestimmt haben. Labbadia hingegen fehlen die kantigen, erfahrenen Typen im Team, die in der Krise auch mal die Ärmel hochkrempeln und vorangehen können. Richtig ist, dass Labbadia in Interviews immer wieder darauf hingewiesen hat - auch als es noch gut lief. Darin steckt natürlich ein Vorwurf an Sportdirektor Rudi Völler und Manager Michael Reschke, die für die Zusammenstellung des Kaders verantwortlich sind. Irgendwo in der Mitte wird die Wahrheit liegen.

Tatsache ist: Labbadia selbst scheint nicht viel an einem weiteren Engagement zu liegen. In der "Süddeutschen Zeitung" gab er vor dem Pokalfinale ein Interview, in dem er von einer Kampagne innerhalb des Clubs gegen ihn sprach. Außerdem machte er sein angebliches Zerwürfnis mit Manager Reschke öffentlich. Reschke ist die rechte Hand von Sportdirektor Rudi Völler. So etwas macht man nur, wenn man in einem Machtkampf eine Entscheidung erzwingen will. Oder wenn man sich gedanklich bereits verabschiedet hat. Dass der Darmstädter mit italienischen Wurzeln auf der Kandidatenliste beim HSV ganz oben steht, ist kein Geheimnis. Bisher galt eine Trennung als wahrscheinlich. Warum sie noch nicht erfolgt ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Immerhin steht Mirko Slomka (wie bei allen suchenden Clubs) allzeit bereit. Oder Bernd Schuster. Der war immerhin Spieler bei Bayer. Und was ist eigentlich mit Thoams Doll und Klaus Augenthaler? Oder Thomas von Heesen? Der galt auch mal als aufstrebender Trainer mit frischen Ideen, mittlerweile trainiert er Apollon Limassol auf Zypern. Vielleicht mal anrufen?

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