Natürlich kann Max Eberl nicht zum FC Bayern wechseln – wenn modische Gründe entscheidend sind. Eberl, derzeit noch Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, müsse dann nämlich des Öfteren in Lederhosen herumrennen. Was Hans Meyer, Gladbacher Präsidiumsmitglied, für unrealistisch hält: "Da Max Vorstellungskraft besitzt und normal eitel ist, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich das antut."
Es kann gut sein, dass Meyer demnächst etwas erleben wird, was seine Vorstellungskraft übersteigt. Denn spätestens das 1:0 der Münchner am Sonntagabend bei der Borussia hat Max Eberl auf ebenso schmerzhafte wie faszinierende Weise die Verlockungen eines Münchner Engagements verdeutlicht. Da kickten nämlich Mannschaften aus zwei Welten gegeneinander. Hier die Borussia, engagiert, spielstark, ballsicher und dank Dieter Heckings Kumpeloffensive auch wieder psychisch intakt.
Max Eberl: Verlockung für jeden Fachmann
Kurzum: eine Mannschaft, die jederzeit ernsthaft in der Bundesliga um die Champions-League-Plätze mitspielen kann. Und dort der FC Bayern, der dem nationalen Betrieb längst entwichen ist, sich jetzt schon gedanklich mit dem Viertelfinals in der Königsklasse gegen Real Madrid beschäftigen kann und dennoch en passant und ohne übermäßigen Kraftaufwand eine Partie wie die in Gladbach siegreich bestreiten kann.
Philipp Köster: Kabinenpredigt
Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Gründer und Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde". Er sammelt Trikots und Stadionhefte, kennt den rumänischen Meister von 1984 und kann die Startelf von Borussia Dortmund im Relegationsspiel 1986 gegen Fortuna Köln auswendig aufsagen: Eike Immel, Frank Pagelsdorf, Bernd Storck, ... Außerdem ist er Autor zahlreicher Fußballbücher, unter anderem über die Geschichte der Fußball-Bundesliga, und wurde 2010 als "Sportjournalist des Jahres" ausgezeichnet. Vor allem ist er Anhänger der ruhmreichen Arminia aus Bielefeld.
Allein der Blick auf die Bayern-Bank dürfte Eberl vor professionellem Neid schaudern gelassen haben. Eingepackt in Klubjacken saß dort eine halbe Weltauswahl, deren Gehälter signifikant über den Gesamtkosten des Gladbacher Kaders gelegen haben dürften. Mit solchen Spielern arbeiten zu dürfen und aus ihnen einen Kader zu formen, der auf Augenhöhe mit den anderen globalen Klubs kickt, dürfte für jeden Fachmann eine Verlockung sein, der kaum zu widerstehen ist.
Natürlich, es gibt starke Argumente für den Verbleib in Gladbach: ein verlässliches Umfeld, eine vergleichsweise ruhige Presselandschaft, dann natürlich die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium und finanzielle Möglichkeiten, die der Borussia ermöglichen, immer wieder oben in der Liga mitzuspielen.
Und natürlich birgt ein Engagement in München letztlich nicht zu kalkulierende Risiken. Wie sehr kann ein neuer Sportdirektor seine Vorstellungen durchsetzen, wenn in der Ebene darüber jede Personalie auch immer ein Machtkampf der beiden starken Persönlichkeiten Hoeneß und Rummenigge ist? Und läuft nicht jeder neue Manager in die Falle, aus der schon Matthias Sammer nicht herauskam, nämlich der systembedingten Beschäftigungslosigkeit? Sammer hatte für all das, was eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, die besten verfügbaren Fachkräfte. Und verdingte sich am Ende nur noch als tibetanische Gebetsmühle, als ritualisierter Mahner vor Schlendrian und Leichtsinn.
FC Bayern sucht eine langfristige Lösung
Klar ist: Abwarten gilt nicht. Der FC Bayern sucht jetzt eine langfristige Lösung. Einer, der den Klub mit sicherer Hand durch die anspruchsvollen nächsten Jahre führt. Denn die Münchner stehen vor einem Umbruch. Kapitän Philipp Lahm und Xabi Alonso beenden ihre Karrieren im Sommer, auch Franck Ribery und Arjen Robben, zwei der prägenden Spieler der letzten Jahre, stehen im sehr späten Herbst ihrer Karrieren. Will Eberl den Kader gestalten, der Mannschaft seine Signatur geben – dann muss er jetzt wechseln. Und sich zur Not krank melden, wenn mal wieder ein Termin in Lederhosen ansteht.
