Amerell greift DFB an Zwanziger "geht rücksichtslos über Leichen"

Das Waschen schmutziger Wäsche im DFB geht weiter. Jetzt hat der in der Schiedsrichter-Sex-Affäre beschuldigte Manfred Amerell öffentlich nachgelegt. DFB-Präsident Theo Zwanziger gehe "rücksichtslos über Leichen", sagte Amerell in einem Interview.

Manfred Amerell hat DFB-Chef Theo Zwanziger erneut einseitige Aufklärung im Schiedsrichterskandal vorgeworfen. "Das ist die größte menschliche Enttäuschung meines Lebens, dass ein Präsident mit so viel Erfahrung rücksichtslos über Leichen geht. Fürsorgepflicht hat er auch gegenüber denen, die Fehler machen. Das hat er außer Acht gelassen", sagte der ehemalige Bundesliga-Referee dem Magazin "Sportbild".

Zum Bruch mit Zwanziger sei es für ihn bereits vor acht Jahren gekommen, berichtete Amerell, dem mehrere Unparteiische sexuelle Nötigung vorwerfen. Damals habe sich Zwanziger - noch im Amt des DFB-Schatzmeisters - mehrfach im Ton vergriffen. "Irgendwann ist es in eine Tonart ausgeartet, wo wir Schiedsrichter uns sagten, dass lassen wir uns nicht mehr bieten", zitiert das Blatt Amarell weiter. Die anschließende Zurechtweisung "hat er mir nie vergessen". Möglicherweise erkäre sich daraus, die nach Amarells Auffassung einseitige Schuldzuweisung im Schiedsrichter-Sex-Skandal um angebliche sexuelle Belästigung des jungen Schiedsrichters Michael Kempter und weiterer Referees. Die Vorwürfe hat das ehemalige Mitglied im DFB-Schiedsrichterausschuss stets bestritten. Ob er gerichtlich gegen den DFB vorgehen will, ließ Amerell offen.

"Ganzer DFB in Mitleidenschaft gezogen"

Das Thema DFB sei nun für ihn abgeschlossen, so Amerell weiter. Er werde sich nun vornehmlich um sein Hotel in Augsburg kümmern. Allerdings leide er persönlich sehr unter den Folgen der öffentlichen Affäre. "Ich wünsche keinem, dass er das erleben muss", sagte Amerell dem Blatt. Aber er wolle sich nicht beschweren, er habe "das selbst zu vertreten". Auch Michael Kempter und die drei weiteren Schiedsrichter, die Amerell sexuelle Belästigungen vorwerfen, würden unter der Affäre leiden. Auch dies hätte DFB-Chef Zwanziger verhindern können. Stattdessen habe er "dafür gesorgt, dass der ganze Verband in Mitleidenschaft gezogen wurde".

Der Fußball-Bund habe ihn geradezu erpresst, wegen der Vorwürfe gegen ihn vom Amt als Sprecher der Schiedsrichter und allen weiteren Ämtern beim DFB zurückzutreten. DFB-Vize Rolf Hocke habe ihn am 4. Februar am Telefon eindeutig aufgefordert: "Wenn du nicht sofort zurücktrittst, wird alles öffentlich gemacht." Danach habe Hocke ihm die Wahl gelassen, aus privaten, geschäftlichen oder gesundheitlichen Gründen zurückzutreten, so Amerell in der "Sportbild". Vergeblich habe er darauf gewartet, dass der DFB wieder auf ihn zukomme. Das sei nicht geschehen, "stattdessen haben sie blindwütig ermittelt".

Süddeutscher Verband will Affäre aufarbeiten

Der Süddeutsche Fußball-Verband (SFV) will unterdessen einen Untersuchungsausschuss mit Juristen einrichten, um das Schiedsrichter-Wesen auf den Prüfstand zu stellen. "Diese Vereinbarung haben wir mit DFB-Präsident Theo Zwanziger getroffen", sagte Hocke, der auch SFV-Präsident ist. "Wir sind nachdenklich geworden, ob wir strukturelle Probleme haben." Das Gremium habe jedoch nichts mit der zivilrechtlichen Aufarbeitung des Falles durch die Staatsanwaltschaft Augsburg zu tun, betonte Hocke.

"Der Verband plant eine Arbeitsgruppe, einen Ausschuss im Zusammenhang mit den Vorfällen um Manfred Amerell", sagte auch der Ulmer Oberstaatsanwalt Wolfgang Zieher, der die Leitung des Gremiums übernehmen soll. Hocke sieht den SFV besonders in der Pflicht, da Amerell bis zur Niederlegung seiner Ämter Schiedsrichter-Obmann bei dem Regionalverband war. "Für uns stellt sich die Frage: Hat es bei Schiedsrichter-Ansetzungen, bei Auf- und Abstieg von Schiedsrichtern und bei Beobachtungen Dinge gegeben, die nicht satzungskonform waren?", erklärte Hocke. Der Ausschuss soll am kommenden Montag in Stuttgart erstmals tagen. Die Funktionäre, die im Umlaufverfahren angeschrieben worden waren, müssen dem aber noch bis zu diesem Mittwoch zustimmen.

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