Bayern in der Champions League Franck Ribéry - ein Künstler entdeckt den Kampf

  • von Joel Stubert
Nie war er so wertvoll wie heute: Franck Ribéry ist seit Wochen Bayerns bester Spieler. Das liegt auch an einer neu entdeckten Lust.

Thomas Müller setzte nach dem Spiel in Hamburg eine ernste Miene auf. "Ich denke, er war der schlechteste Mann auf dem Platz", antwortete der Bayern-Star auf die Frage nach der Leistung von Franck Ribéry. "Er hat jeden Ball verloren, den er gehabt hat - und kaum Impulse nach vorne setzen können. Und deswegen schadet er uns so." Sein Lachen konnte und wollte Müller dabei kaum unterdrücken. Dass das genaue Gegenteil der Fall war, war jedem Betrachter des Spiels der Bayern in Hamburg klar. Franck Ribéry ist der beste Münchner. Seit Wochen.

Der "Kicker" führt den Franzosen mit einem Notenschnitt von 1,75 als mit Abstand besten Spieler der bisherigen Bundesligasaison. Einzig in seinem ersten Jahr 2007 glänzte er ähnlich. Danach fiel er in ein kleines Loch. Zwar spielte er immer noch gut, die wirklich herausragenden Auftritte nahmen jedoch ab. Mittlerweile beeindruckt er aber wieder durch seine Dribblings, Tore und sein Auge für den Nebenmann. "Er arbeitet vor allem sehr gut nach hinten", attestiert ihm Bastian Schweinsteiger.

In Lille auf der Jugendakademie

Die neue Lust auf die Defensive zeichnet das neue Spiel des Franck Ribéry aus. Auch Bayerns Torwart-Legende Oliver Kahn sieht die neuen Qualitäten des Wirbelwinds. "Zu seiner Spielfreude gesellt sich eine hohe Laufbereitschaft und Mannschaftsdienlichkeit." Ähnlich begeistert äußerte sich Ehrenpräsident Franz Beckenbauer über Ribéry: "Ich weiß nicht, wie viele Lungen er hat, sicher drei Pferdelungen. Das gibt's nicht."

Im Champions-League-Spiel gegen den OSC Lille (20.45 Uhr im stern.de-Liveticker) wird, wenn alles normal läuft, Ribéry das Spiel wieder prägen. Nebenbei trifft der Franzose auf seine eigene Vergangenheit. Drei Jahre spielte er in der Jugendakademie des Vereins, mehrfach drohte ihm dort sogar der Rauswurf, weil er einen Mitspieler geschubst hatte. "Der hat sich den Ellbogen gebrochen, und da wollten sie mich entlassen." Er durfte nach zwei Toren dann doch bleiben. "Bis 16 war ich hier, dann bin ich zurück zu meiner Familie. Ich habe es dann alleine geschafft. Darauf bin ich stolz."

Gespielt wie früher auf der Straße

Seine sportliche Rückkehr in sein altes Umfeld feierte er bereits vor zwei Wochen. Beim mühsamen 1:0-Sieg der Bayern in Lille musste er viele Fouls einstecken. Zur Pause blieb der 29-Jährige angeschlagen in der Kabine. Es war ein eher unauffälliger Auftritt. Dementsprechend viel hat er sich für das Rückspiel vorgenommen: "Es ist natürlich immer etwas Besonderes, wenn man es mit einer Mannschaft aus seiner Heimat zu tun bekommt. Ich bin hochmotiviert. Wir müssen gewinnen, wir müssen die drei Punkte holen, wir müssen spielen wie in Hamburg".

Da spielte vor allem er furios, bereitete zwei der drei Bayern-Treffer vor. Sein Trainer Jupp Heynckes schwärmte nach der Partie über das Zusammenspiel von Toni Kroos, Thomas Müller und Ribéry: "So haben wir früher auf der Straße gespielt." In Bezug auf Leichtigkeit und Kreativität kann man sich von einem wie Heynckes kaum ein größeres Lob vorstellen. Seinen zuletzt starken Auftritten könnten bald noch bessere folgen. Dann nämlich, wenn David Alaba konstant hinter ihm auf der Linksverteidigerposition spielt. "David ist ein Spieler, der viel attackiert mit mir zusammen", lobte Ribéry den Österreicher, mit dem er "mit Augen zu" harmonieren könne.

Bayern momentan nur auf Platz drei

Aber auch das Zusammenspiel mit den anderen Offensivspielern der Bayern klappt hervorragend. "Wie aus dem Bilderbuch" nannte es Jupp Heynckes nach dem beeindruckenden Sieg beim Hamburger SV. Die Bayern-Offensive, gegen Lille wohl mit Arjen Robben, soll die Franzosen durcheinanderwirbeln. Heynckes warnt indes vor zu großer Leichtigkeit. "Das Spiel gegen Lille ist äußerst wichtig", sagte der Bayern-Coach vor dem Spiel, wohlwissend um die gefährliche Situation in der Champions-League-Gruppe. Dort haben die Konkurrenten Borissow und Valencia ebenfalls sechs Punkte. Bayern liegt momentan nur auf Platz drei. Doch nach der Show von Hamburg ist es schwer vorstellbar, dass die Bayern gegen Lille Probleme bekommen könnten. Schon eher ist denkbar, dass Franck Ribéry seine nächste Galavorstellung abliefert.

Joel Stubert

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