Es war nur ein Test gegen einen Sechstligisten. Doch für Jürgen Klinsmann war der 7:1-Siege gegen den SV Lippstadt 08 im Stadion "Am Waldschlösschen" die erste Etappe eines langen, beschwerlichen Weges, der die Bayern zurück auf den Fußball-Olymp Europas führen soll. Ein Erfolg in der Champions League ist das ehrgeizige Ziel des deutschen Rekordmeisters aus München.
Mantra Champions League
Ob Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß oder eben Jürgen Klinsmann: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Verantwortlicher das neue Mantra des Clubs aufsagt: Champions League.
"Da wollen wir mitreden und den Anschluss an Europas Top-Klubs schaffen", hat Jürgen Klinsmann nach dem Test in Lippstadt angekündigt. Franz Beckenbauer wird da schon deutlicher: "Diesmal muss die Mannschaft auch in der Champions League etwas erreichen, mal übers Achtelfinale oder Viertelfinale hinauskommen", forderte der Bayern-Präsident gerade in einem Interview in der Tageszeitung "Die Welt". Im Klartext: Das Halbfinale soll's bitteschön schon sein.
Doch wie realistisch sind die hohen Ziele? Reicht die Qualität des Kaders aus, um den vollmundigen Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen? Zweifel sind angebracht, und der erste, der sie äußert, ist Stürmer Luca Toni. "Um die Champions League zu gewinnen, braucht man so viele Champions wie möglich", meldete sich der Italiener aus dem Urlaub zu Wort. "Mal sehen, was die Bayern noch bereit sind zu investieren."
Doch genau dort liegt derzeit das Problem: Die Schlagzeilen der letzten Tage wurden beherrscht vom neuen Leistungszentrum samt Buddha-Figuren und E-Learning-Raum. Viel lieber hätte Uli Hoeneß vermutlich die Verpflichtung eines internationalen Krachers verkündet. Die aber machen um München noch einen Bogen. Italiens Weltmeister Gennaro Gattuso flirtete zwar mit den Bayern, blieb am Ende aber doch beim AC Mailand. Den Ex-Stuttgarter Alexander Hleb zog es von Arsenal London lieber nach Barcelona. Und auch ein Transfer von Mario Gomez steht nicht mehr ernsthaft zur Debatte.
Vor Butt und Borowski hat niemand Angst
So bleiben als namhafte Neuzuänge einzig und allein der Bremer Tim Borowski und Jörg Butt als zweiter Torhüter hinter Michael Rensing. Nicht gerade Kaliber, vor denen man in Manchester oder Madrid Angst haben muss. Und nur zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr waren es Mannschaften wie Getafe und St. Petersburg, die dem gleichen Ensemble, mit dem die Bayern jetzt in der Champions League attackieren wollen, seine Grenzen aufgezeigt haben. Im Uefa-Cup, wohlgemerkt.
Unterzieht man die Bayern-Träume von der Champions League einem Realitäts-Check, bleibt einzig und allein ein Name übrig: Jürgen Klinsmann. Wie damals bei der Nationalmannschaft soll er dem Team Inspiration und Klasse verleihen. Bei seinem Antritt in München hat er als Marschroute ausgegeben: "Wir wollen jeden Spieler verbessern. Jeden Tag."
Das mag ausreichen, um die nationale Konkurrenz aus Bremen und Gelsenkirchen auf Abstand zu halten. Doch wie weit die Bayern in Wahrheit noch von der fußballerischen Klasse der drei, vier Top-Clubs in Europa entfernt sind, gesteht Präsident Franz Beckenbauer selbst ein, wenn er jetzt in der "Welt" das kleine Fußball-Einmaleins anmahnt: "Es kann nicht sein, dass ein Philipp Lahm oder ein Bastian Schweinsteiger – und damit nenne ich ja noch zwei positive Erscheinungen und Leistungsträger - seit fünf Jahren nicht mit dem linken Fuß flanken können."
Klinsmann wird solche Ohrfeigen des "Kaisers" nicht gerne hören. Der Druck, der auf ihm lastet, ist schon jetzt groß genug. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts "Emnid" glauben 46 Prozent der Deutschen an einen Champions-League-Triumph unter Klinsmann.
Doch es gibt auch schon erste Warner. Ex-Profi Stefan Effenberg unkt: „Wenn sich nicht schnell die Erfolge einstellen, wird es unruhig."