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BGH-Urteil gegen Zwangsabstieg Wie der kleine SV Wilhelmshaven die mächtige Fifa besiegte

Der SV Wilhelmshaven musste 2014 aus der Regionalliga absteigen, weil die Fifa es so wollte. Seitdem wehrt der Verein sich vor Gericht gegen den erzwungenen Niedergang. Nun hat der Bundesgerichtshof dem mächtigen Verband widersprochen.

Der Fall hat so ziemlich alles, was eine gute Geschichte ausmacht: Ein kleiner Fußballverein sieht sich ungerecht behandelt, bietet den mächtigen Verbänden die Stirn - und steht nach jahrelangem Rechtsstreit als Sieger da. "Wir sind froh und glücklich, dass wir so weit gekommen sind", sagt Harald Naraschewski, Aufsichtsrat des SV Wilhelmshaven. Seit diesem Dienstag steht mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) rechtskräftig fest: Sein Verein wurde zu Unrecht aus der Regionalliga Nord geworfen.

Der Ärger begann vor fast zehn Jahren. Damals verpflichtet Wilhelmshaven einen jungen Spieler aus Argentinien, will aber nicht die hohe Ausbildungsentschädigung zahlen, die die Fifa bei solchen Wechseln vorschreibt. Der Fall geht bis vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Als der SVW nicht spurt, macht die Fifa mit Sanktionen Druck. Erst muss der Verein zweimal sechs Punkte abgeben. Dann ordnet der Weltfußball-Verband den Zwangsabstieg an.

DFB setzt Fifa-Regeln durch

Dass dieser nun von den obersten deutschen Zivilrichtern gekippt wird, hat mit den komplizierten Verbandsstrukturen im Fußball zu tun. Denn durchgesetzt werden die Fifa-Regeln vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dessen Regional- und Landesverbänden. Der SVW, selbst kein DFB-Mitglied, wird deshalb zum Ende der Spielzeit 2013/14 vom Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) aus der Regionalliga verbannt.

So eine Disziplinarstrafe ist in der NFV-Satzung zum maßgeblichen Zeitpunkt aber gar nicht vorgesehen. Kein Rausschmiss ohne rechtliche Grundlage, sagen die BGH-Richter. Der Zwangsabstieg ist also nichtig.

SV Wilhelmshaven will zurück in die Regionalliga

Für SVW-Aufsichtsrat Naraschewski liegt auf der Hand, wie es jetzt weitergehen muss. "Die Zukunft stellen wir uns so vor: Rückgliederung in die Regionalliga und Ausgleich der wirtschaftlichen Schäden", sagt er nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Der Verein möchte eine siebenstellige Summe, am besten ohne neue Klagen. "Wir waren immer zu einer gütlichen Regelung bereit und sind es auch jetzt."

Aber geht das so einfach? Der Karlsruher Sportrechtler Markus Schneider dämpft die Erwartungen. "Ein Schadenersatzanspruch dem Grunde nach dürfte jetzt feststehen", sagt er. "Aber der Höhe nach ist das sicher noch ein weiter Weg. Und die Beweislast für die Schadenshöhe liegt beim Verein." Der SVW müsste also erst einmal nachweisen, dass ihm durch den Zwangsabstieg Sponsorengelder oder Zuschauereinnahmen entgangen sind. "Das ist sehr, sehr schwierig."

Zwangsaufstieg nach Zwangsabstieg?

Noch spannender findet der Kölner Sportrechtler Jan Orth die Frage nach dem "sportlichen Schadenersatzanspruch" - also: "Gibt es einen Zwangsaufstieg, wenn es einen Zwangsabstieg gab?" Als Tabellen-Sechzehnter wäre Wilhelmshaven 2014 so oder so abgestiegen. Heute spielt die Mannschaft in der Bezirksliga. Orth kann sich daher höchstens ein Aufrücken in die Landesliga vorstellen. "In die Regionalliga führt kein Weg zurück", betont er.

Mit seinem langen Atem hat der SVW aus Orths Sicht trotzdem "Schwächen im System" aufgezeigt. Grundsatzurteile des BGH setzen immer Maßstäbe. Der DFB will die Veröffentlichung der ausführlichen Urteilsgründe in einigen Wochen abwarten. Vizepräsident Rainer Koch kündigt aber bereits "gegebenenfalls notwendige Satzungsänderungen" an, die "umgehend auf den Weg gebracht werden" müssten. Beim NFV will man ebenfalls die schriftliche Urteilsbegründung abwartet und dann mit den DFB sorgfältig analysieren.

Verbände müssen Regularien prüfen

Schneider ist sich schon jetzt sicher, dass der Richterspruch Konsequenzen haben wird: "Alle Regional- und Landesverbände werden nun ihre Regularien überprüfen müssen - das muss von oben nach unten sauber durchgeregelt sein." Die Verbände gäben sich aber schon heute große Mühe, und die Fußballwelt stelle das Urteil nicht auf den Kopf. "Der Ball wird am nächsten Wochenende sicher weiterrollen."

tkr/Anja Semmelroch DPA

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