Deutschland wieder, könnte man denken. Fußball soll hierzulande Fußball bleiben. Chips im Ball, Torkameras, kurzum: technische Modernisierung zur Ermittlung von Toren - wer braucht so etwas? Wir in der Bundesliga nicht. 24 der Erst- und Zweitligamannschaften lehnten die Einführung einer Torlinientechnologie ab. Es sieht danach aus, als hätte der technische Fortschritt im deutschen Fußball zunächst keine Chance. Das ist ein Jammer - und doch ist die Entscheidung verständlich.
Die Torlinientechnologie bietet die große Möglichkeit, eine leidige Diskussion um die entscheidende Frage im Fußball ein für alle mal zu beenden: War der Ball im Tor oder war er nicht drin? Eine Spielunterbrechung wäre nicht notwendig, der Schiedsrichter würde ein Signal auf seine Uhr geschickt bekommen, ob ein Ball mit vollem Umfang hinter der Linie war oder nicht. Ein Wembley-Tor oder ein Phantomtor wie in der Hinrunde der Fußball-Bundesliga wären damit kaum mehr möglich.
Stadionausstattung wäre teuer
Dementsprechend warben bis zuletzt viele Vereine uneingeschränkt für die Einführung von technischen Hilfsmitteln. "Ich bin natürlich dafür", sagte beispielsweise Bayern-Trainer Pep Guardiola. Vor allem Leverkusen und Hoffenheim setzten sich für die Torlinientechnik ein. Im Spiel dieser beiden Mannschaften fiel das Phantomtor von Stefan Kießling.
Die Ablehnung der großen Mehrheit der Liga kommt auf den ersten Blick überraschend. Doch die 24 Teams, die gegen die Technik stimmten, sind nicht unbedingt der Auffassung, dass Fehler zum Spiel gehören. Sie finden es auch nicht besonders autenthisch, wenn mal ein Tor fällt, das eigentlich keines ist.
Der Hintergrund ist ein anderer. Es genügt ein Blick nach England, um zu erahnen, woran die Einführung scheitert. In der Premier League wird die eine Torlinientechnik seit dieser Saison eingesetzt. Der Knackpunkt: Das dort verwendete Hawk-Eye-System kostet jeden Verein für drei Jahre rund 500.000 Euro. Die Stadien müssen erst mit der Technik ausgestattet werden.
Leidtragende sind die Schiedsrichter
Es verwundert also nicht, dass in Deutschland mit Bayern, Hoffenheim und Leverkusen hauptsächlich finanzstarke Clubs die Technik befürworteten. In der zweiten Liga wollten nur drei Vereine die Technik einführen. 15 waren dagegen. Nicht, weil man dort auf zukünftige Phantomtore hofft, sondern weil die Technologie einen Großteil der Zweitliga-Budgets sprengen würde. "Die Kosten sind so exorbitant, dass das nicht tragbar ist", begründete Jörg Schmadtke, Geschäftsführer des Zweitliga-Spitzenreiters 1. FC Köln, die Ablehnung. Die Kölner selbst hatten allerdings dafür gestimmt.
Die Leidtragenden sind die Schiedsrichter. Auch sie hatten sich für die Technik ausgesprochen. Die Referees müssen nun weiter mit dem menschlichen Auge entscheiden, ob ein Ball im Tor ist oder nicht. Das heißt, es wird weiter Fehler geben. Und damit auch weitere Kritik. Der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses, Herbert Fandel, ahnt wohl, dass die Klagen über Schiedsrichterentscheidungen nicht abnehmen werden. Er hoffe, sagte Fandel, "dass sich der ein oder andere nach dieser Entscheidung in Zukunft etwas schwerer tut, die Schiedsrichter für eine strittige oder falsche Entscheidung öffentlich zu kritisieren."