Krise in Hamburg HSV-Coach Gisdol und sein unrealistischer Wunsch

Der HSV ist am Ende: der Tabelle, mit seinem Latein, so ziemlich allgemein. Der neue und erfolglose Trainer Markus Gisdol beschwört Ruhe und Stabilität - und zeigt damit, dass er den Verein noch nicht verstanden hat.

"Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!" - ein wenig muss sich Markus Gisdol fühlen wie in Dantes "Göttlicher Komödie", seit er den Dienst beim Hamburger SV angetreten hat. Vor einem Monat hat er den Trainerjob von Bruno Labbadia übernommen. Ein Ligator hat seine Mannschaft seitdem noch nicht erzielt, die Hamburger sind das Schlusslicht der Tabelle. Was macht da überhaupt noch Hoffnung?

Zumindest Gisdol startet jetzt einen verzweifelten Versuch, den Umschwung herbeizubeten - und stellt sich vor seine Spieler: "Die Mannschaft braucht mich jetzt als Orientierungspunkt. Das muss ich der Mannschaft geben." Gisdol glaubt zu ahnen, was seine völlig verunsicherte Truppe jetzt braucht. Tatsächlich hat er Erfahrung im Abstiegskampf: In der Saison 2012/13 übernahm er sieben Spieltage vor Saisonende das Ruder in Hoffenheim und rettete eine Katastrophensaison in der Relegation.

HSV: "Ruhe, Kontinuität, Stabilität" - wohl kaum!

Trotzdem wirkt sein Ansatz beim HSV beinahe ein bisschen weltfremd, fordert er doch: "Ruhe, Kontinuität, Stabilität - das brauchen wir! Das sind bei diesem aufgeregten Umfeld die drei entscheidenden Dinge. Wir dürfen uns nicht von der Hektik anstecken lassen." Mit Verlaub, ein frommer Wunsch von einer Wende, die so nicht zu realisieren sein wird, denn Hamburg ist nicht Hoffenheim.

So richtig verinnerlicht scheint Gisdol diesen Unterschied aber noch nicht zu haben. Vom Enthusiasmus eines Bruno Labbadia, der 2015 im sensationellen Retter-Endspurt alle(s) mitgerissen hat, ist er weit entfernt, weil er ein ganz anderer Typ ist. Das ist nicht schlimm, bloß: Selten hat ein als Hoffnungsträger verpflichteter Coach schon nach so kurzer Zeit nur noch so wenig Hoffnung vermittelt. Es wird sich schnell zeigen müssen, ob er dazu überhaupt in der Lage sein wird. Im Winter soll womöglich mit neuen Millionen von Investor Klaus-Michael Kühne noch einmal personell nachgebessert werden. Weitere Fehlgriffe auf dem Transfermarkt nach den Sommer-Flops Filip Kostic und Alen Halilovic würden wohl den sicheren Abstieg bedeuten.

Derweil wächst auch die Unruhe in den oberen Etagen des Volksparks: Die "Bild"-Zeitung berichtet, dass die Suche nach einem Sportchef Fahrt aufgenommen hat. Demnach habe es Geheimtreffen mit dem früheren HSV-Profi Nico-Jan Hoogma sowie Ex-Schalke-Manager Horst Heldt gegeben. Womöglich werden sich Dietmar Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Karl Gernandt noch mit weiteren Kandidaten treffen - auch Jens Todt, früherer Nachwuchsleiter beim HSV, soll in der Verlosung sein.

Wer auch immer sich vom HSV verpflichten lassen wird, auf drei Dinge sollte er keinesfalls hoffen: "Ruhe, Kontinuität, Stabilität".

tim

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