Seit fünf Jahren sind sich viele Fußball-Fans im Winter zumeist sicher: Dieses Jahr ist der HSV dran. Wer so schlecht spielt, steigt ab. Jedes Jahr auf´s Neue haben die Fans Unrecht. Selbst in den katastrophalen Spielzeiten 13/14 und 14/15 schaffte es der HSV irgendwie, die Klasse über die Relegation zu halten. Immer wieder starteten die Hamburger historisch schlecht in die Saison. Aber so miserabel wie jetzt standen sie an einem 10. Spieltag noch nie da. Nicht in den letzten fünf Jahren - und überhaupt noch nicht in der langen Geschichte. Dieses Jahr ist der "Dino" unabdingbar fällig. Der HSV wird absteigen.
Null Siege, zwei Punkte, mickrige vier Treffer, ein Torverhältnis von -19 und ein sehr verdienter letzter Platz. Man könnte sagen: Der HSV erarbeitet sich seinen ersten Abstieg. Die Leistungen gegen Köln und Frankfurt: blamabel. Beide Male 0:3. Gegen den BVB: kollektive Arbeitsverweigerung. Unfassbare Aussetzer von Cleber, Djourou, Adler und Spahic machten es den Dortmundern unmöglich, den HSV nicht abzuschießen. 2:5 stand es am Ende. An Uwe Seelers 80. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch.
Dazu kommt das aktuelle Chaos um den Sportdirektor. Vorstandsboss Beiersdorfer feuerte Knäbel vor der Saison und wollte den Job zunächst einfach mitübernehmen. Nun stellt er fest, dass das keine gute Idee war. Hoogma und Heldt haben keine Lust, Zweitliga-Manager Hochstätter soll im Moment hoch im Kurs stehen. Neuesten Berichten zufolge soll nun auch Beiersdorfers Stuhl wackeln. Das mit den Wechseln im Führungspersonal hat ja auch in der Vergangenheit immer super funktioniert beim HSV.
HSV pumpt Millionen ins Nichts
Die Reaktion auf die aktuelle Krise ist das immer gleiche Muster. Im Winter muss Klub-Mäzen Kühne ein paar Millionen bereit stellen, damit neue, vermeintliche Heilsbringer verpflichtet werden können. Auch das hat ja in der Vergangenheit so gut geklappt. Es ist ein Rätsel, wie immer wieder Spieler, die bei anderen Vereinen funktionieren, schlagartig ihre fußballerischen Fähigkeiten einbüßen, wenn sie sich das HSV-Trikot überstreifen. Eine Szene im BVB-Spiel zeigte zudem, dass manch einer nicht verstanden hat, wie ernst die Lage ist: Nicolai Müller wollte sich nach seinem tristen 1:4-Anschlusstreffer mit ausgebreiteten Armen von den Fans feiern lassen, als hätte er denen damit auch nur ansatzweise genug für ihr Geld geboten.
Es ist schwierig zu sagen, was beim HSV genau schief läuft, aber irgendjemand macht irgendetwas gehörig falsch. Der Verein hat viele treue Fans im Rücken, etliche Jahre Bundesliga-Erfahrung und dank Kühne auch die nötigen finanziellen Mittel - trotzdem läuft es einfach nicht. Dass man mit viel Geld durchaus eine erfolgreiche Fußballmannschaft aufbauen kann, zeigt ja das Modell RB Leipzig. Die Sachsen haben im Gegensatz zum HSV aber eine funktionierende Strategie und eine Führungsebene, die gute Arbeit leistet.
Natürlich sind in 24 Spielen noch theoretische 72 Punkte zu holen und auch im Pokal hat man die dritte Runde erreicht. Auch dieso so schlimme Saison birgt also noch Potenzial. Aber so wie sich der HSV präsentiert, kann niemand ernsthaft glauben, dass die Spieler auch nur einen Bruchteil davon heben werden. Am Ende wird der Abstieg stehen - und zwar einer, den man sich in Hamburg redlich und über Jahre verdient hat.
Die treuen HSV-Fans sind zu bemitleiden
Die einzigen, die dabei wirklich zu bemitleiden sind, sind die überraschend treuen Fans des HSV. Diese rund 50.000 (!) Menschen mit ausgeprägtem Hang zum Masochismus, die jedes zweite Wochenende in den Volkspark strömen, in der Hoffnung auf irgendwas, das ein bisschen Hoffnung macht. Sie werden noch lange leiden müssen. Und vielleicht wird es am Ende für sie sogar eine Erlösung sein, wenn die Stadionuhr nicht mehr weiterlaufen muss. Wenn ihnen nicht ständig der Kontrast zwischen der Historie dieses großen Vereins und der aktuellen Gurkentruppe vor Augen geführt wird. Dann ist der HSV nicht mehr das "Urgestein der Liga", sondern nur ein weiterer Traditionsverein, der es nicht geschafft hat, mit der ersten Liga mitzuhalten.