Bayer Leverkusen ist ohne Zweifel eine der besten Mannschaften in der Fußball-Bundesliga. Um die Jahrtausendwende holte die Werkself vier Vizemeisterschaften und war regelmäßiger Teilnehmer im internationalen Geschäft.
Leverkusen fehlt der Biss
Derzeit steht die Mannschaft auf Platz fünf und hat gute Chancen, sich im zweiten Jahr in Folge für die Champions League zu qualifizieren. Das Ausscheiden gegen den FC Barcelona in der Champions League zeigt jedoch deutlich, dass der Mannschaft für die ganz großen Aufgaben der Biss fehlt.
Natürlich leben K.O.-Duelle auf internationalem Niveau von der Tagesform. Das zeigten nicht zuletzt die beiden völlig unterschiedlichen Duelle zwischen Arsenal London und dem AC Milan, auch der FC Basel wird nicht fünf von zehn Spielen gegen den FC Bayern gewinnen.
Guardiola: Messi hätte noch ein sechstes Tor schießen können
Ein nicht gegebener Strafstoß, eine überzogene Rote Karte oder der Ball, der vom Innenpfosten zurück ins Feld springt, alles das sind Faktoren, die in K.O.-Spielen den Unterschied zwischen einem glorreichen Sieg und einer bitteren Niederlage ausmachen können.
Mit dem Auftritt von Bayer Leverkusen gegen den FC Barcelona hatte das jedoch alles nichts zu tun. Mit 10:2 setzte sich Barcelona durch, gewann beide Spiele souverän. Einzig die Gnade von Lionel Messi verhinderte, dass Bayer nicht den traurigen Rekord des 1. FC Köln einstellte (1:8 beim FC Dundee, 1962). "Wenn er gewollt hätte, hätte er noch ein sechstes Tor schießen können", befand Barca-Trainer Josep Guardiola.
Barcelona zu gut aber Leverkusen ergibt sich schon vorher
Aber war Barcelona wirklich so gut? Die Antwort darauf ist eindeutig: Ja, waren sie. Die zweite Frage, die man aber stellen muss und darf, ist: Darf sich eine deutsche Spitzenmannschaft, die an sich selber den Anspruch stellt, im kommenden Jahr wieder in der Champions League vertreten zu sein, derartig abschlachten lassen? Darf sie in Ehrfurcht erstarren und sich so einfach in ihr Schicksal ergeben? Auch hier ist die Antwort eindeutig: Nein, darf man nicht.
Barcelona war zweifellos der große Favorit in diesem Duell. Aber muss man sich deswegen schon vor dem Anpfiff ergeben? Sowohl vor dem Hinspiel als auch vor dem Auftritt im Camp Nou hatte man bei Bayer Leverkusen das Gefühl, dass man sich bereits seit dem Tag der Auslosung mit dem Ausscheiden abgefunden hatte. Keinerlei Ehrgeiz, keinerlei Wille sich auf großer europäischer Bühne zu beweisen, waren in den Aussagen und im Auftreten der Mannschaft oder der Verantwortlichen zu erkennen.
Völler: "Sie hauen jedem die Hucke voll."
Selbst Rudi Völler, eigentlich ein Mann der klaren Worte, nahm die Niederlage scheinbar gelassen: "Sie hauen jedem die Hucke voll." Barcelonas Heimbilanz - in der Liga zwölf Siege, ein Unentschieden, 53:5 Tore - gibt Rudi Völler zwar absolut Recht, aber es darf angezweifelt werden, ob sich ein Rudi Völler als Spieler derart kampflos in sein Schicksal gefügt hätte.
Mannschaften wie Viktoria Plzen und BATE Borisov haben trotz ihrer Niederlagen gezeigt, wie man sich in Barcelona präsentieren muss. In diesem Stadion antreten zu müssen, ist keine Strafe, es wäre die Chance für Leverkusen gewesen, sich international Respekt zu verschaffen und sich mit Anstand aus der Champions League zu verabschieden.
Can't touch this! Zu viel Respekt vor Lionel Messi
In Europa wird man sich nach dem Achtelfinale an die fünf Tore von Lionel Messi erinnern, man wird sich erinnern an den lächerlichen Trikot-Streit der Leverkusener nach dem Hinspiel und man wird sich an eine Mannschaft erinnern, die international "gewogen und für zu leicht befunden" wurde, wie es Marcel Reif stets so schön sagt.
Bei Leverkusen konzentrierte man sich indes weiter auf die Beweihräucherung des Gegners, anstatt auf die eigene Vorstellung. So kommentierte Völler den bezeichnenden Fakt, dass Lionel Messi im Rückspiel nicht ein einziges Mal gefoult wurde, mit den Worten: "Da hätte man sicher mit mehr Schmackes an ihn rangehen können. Aber er ist auch schwer zu fassen. Er gehört zu den ganz Großen wie Pelé, Eusébio oder Franz Beckenbauer."
Eins haben alle diese Spieler gemeinsam: Sie schenken keine Spiele her.
Michael Stricz