Warum laufen immer Thomas Müller und Lukas Podolski auf und warum wechselt der Bundestrainer nicht die talentierten Marco Reus, Mario Götze oder Andre Schürrle ein und sorgt für frischen Wind?
Joachim Löw wechselte bei der EM bisher eher konservativ. Miro Klose kam im Spiel gegen die Niederlande erneut für Mario Gomez und Toni Kroos wiederum für Mesut Özil. Viele Fans fordern aber neuen Zündstoff für die Offensive und somit Marco Reus, Mario Götze oder Andre Schürrle. Zwei Redakteure haben sich der Diskussion angenommen ...
Pro Löws Wechseltaktik: Michel Massing
Ich bin der Meinung, Joachim Löw macht alles richtig. Lukas Podolski hat gegen die Niederlande kein gutes Spiel in der Offensive gemacht. Thomas Müller war offensiv auffälliger, agierte aber in der ein oder anderen Aktion vor dem Tor unglücklich. Was aber oft unterschätzt wird; beide haben ihre Defensivaufgaben und die taktische Marschroute hervorragend umgesetzt.
Vergleicht man dies mit den statischen holländischen Außenspielern Robben und Afellay, waren die deutschen Außen Teil der Mannschaft, wenn ich mich der martialischen Rhetorik des Kollegen Daniel Raecke bedienen darf: Müller und Podolski waren Teil der terroristischen Vereinigung und keine voneinander unabhängigen Terrorzellen. Das könnten aber auch Marco Reus oder Mario Götze leisten? Fraglich.
Thomas Müller ist der defensiv- und zweikampfstärkste offensive Außen im Kader. Lukas Podolski kennt das Löw'sche System und seine Aufgabe darin in- und auswendig. Beide spielen lieber einmal mehr ab, als das Risiko einzugehen, den Ball im Dribbling zu verlieren und einen Konter einzuleiten. Beide sind zudem extrem dynamische, physisch starke Spieler.
Mit Mesut Özil haben wir ein physisches Leichtgewicht, dass die Lizenz zum Dribbeln besitzt, in der Startelf. Ein zweiter solche Spieler würde mehr Spektakel versprechen, aber auch ein größeres Risiko. Ich bin nicht der Meinung Löw muss mehr Risiko gehen, nur weil die Fans mehr Spektakel wollen.
Wenn man einmal in Rückstand gerät, sind solche offensiven Optionen sicherlich eine gute Versicherung in der Rückhand. Wenn alles nach Plan läuft, dann sollte Löw bei den bewährten Kräften, die für die komplexen Aufgaben in Offensive und Defensive die beste Eignung gezeigt haben, bleiben.
Das Löw kurz vor dem Ende nicht noch Reus oder Götze bringt, könnte auch daran liegen, dass er sich eine weitere öffentliche Diskussion ersparen will. Stellen wir uns vor, Reus erzielt gegen müde Holländer in der 89. Minute das 3:1. Dann fordert die Fangemeinschaft und gesamte Journallaie für das nächste Spiel Reus statt Müller, oder Podolski. Diese Diskussion braucht Löw nicht, denn beide erfüllen ihre Aufgabe bisher gut.
Contra Löws Wechseltaktik: Marcus Krämer
Der Bundestrainer hat es in der Pressekonferenz nach dem Spiel doch selbst gesagt: "Die Holländer waren müde. In der zweiten Halbzeit hätten wir den Sack früher zumachen können. Wir hätten das dritte Tor machen müssen." Richtig analysiert, schlecht reagiert, Herr Löw.
Denn mit den richtigen Einwechslungen hätte das DFB-Team die Kontertaktik der Schlussphase erfolgreicher gestalten können. Lukas Podolski spielt bisher sein schwächstes Turnier. Im Abschluss ungewohnt ungenau, kaum ins Kombinationsspiel eingebunden positiv fiel Podolski fast nur durch seine, zugegebenermaßen gute, Defensivarbeit auf. Thomas Müller, Podolskis Pendant auf der rechten Seite, steigerte sich gegenüber dem Portugal-Spiel, aber auch seine Auswechslung (90.) kam für mich zu spät.
Denn Löw hat Spieler zur Verfügung, die den tatsächlich entkräftet wirkenden Niederländern richtig hätten weh tun können. In erster Linie denke ich da an den schnellen Marco Reus, aber auch André Schürrle oder Mario Götze wären für die Schlussphase richtige Varianten gewesen. Stattdessen kamen mit Miroslav Klose, Toni Kroos und Lars Bender drei Spieler, die nicht gerade für ihre Konter-Qualitäten bekannt sind.
Löw hat mit seinen verhaltenen Wechseln aber auch die Chance verpasst, die genannten Youngster an das Turnier heranzuführen. Bisher kamen erst 13 Feldspieler zum Einsatz, die Schlussphase gegen die Niederlande wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, wichtigen Alternativen Spielpraxis zu geben. Denn Europameister wird man sicher nicht mit 14 Spielern.