EM 2012 Wachstumsstörungen - EM 1980

Mit der EM 1980 näherte sich das Kontinentalturnier langsam der Form an, in der es bis heute durchgeführt wird. Erstmals begann die Finalrunde mit einer Gruppenphase, wobei der Veranstalter des Turniers gesetzt war.

Mit der EM 1980 näherte sich das Kontinentalturnier langsam der Form an, in der es bis heute durchgeführt wird. Während bei Weltmeisterschaften das Teilnehmerfeld zwischen `78 und `82 von 16 auf 24 Teams ausgeweitet wurde, erweiterte man bei der Euro das Feld für das Finalturnier auf acht Mannschaften.

Bis zum Turnier 1980 konnte das Austragungsland für die Finalrunde, an der bis 1976 vier Mannschaften teilnahmen, erst zu einem Zeitpunkt festgesetzt werden, an dem die vier Halbfinalteilnehmer bereits gefunden waren. Dies änderte sich nun.

Das Finalturnier wurde nach Italien vergeben, ein wichtiges Argument für eine Veranstaltung im richtigen Turnierformat waren wirtschaftliche Gründe nach dem in dieser Hinsicht enttäuschenden Verlauf der EM in Jugoslawien, die dem Veranstalter ein erhebliches Defizit beschert hatte.

Das Turnier wird professionalisiert

Es wurde ein Veranstalter gesucht, der die für ein solches Turnier entsprechende Infrastruktur zu Verfügung stellen konnte, dabei wurden Kriterien angelegt, die denen entsprachen, wie man sie sich auf für ein WM-Turnier vorstellen muss, sprich entsprechende Stadien, Transportmöglichkeiten, Unterbringungsmöglichkeiten, Trainingsbedingungen und so weiter mussten im Veranstaltungsland gewährleistet sein.

Europameisterschaften führten im Prinzip immer noch ein Schattendasein in der Alten Welt, von einem Megaturnier wie es für 2016 in Frankreich geplant ist, mit dann 24 Mannschaften, war man noch weit entfernt. Dadurch, dass für 1980 erstmals ein richtiges Turnier geplant war, befand man sich aber schon auf dem besten Weg dahin. Doch tatsächlich war man in Europa immer noch auf die Weltmeisterschaften fokussiert.

Als Ausrichter kamen unter anderem England, Griechenland, die Schweiz und Deutschland in Frage. Gegen Deutschland sprach, dass dort gerade erst zwei große Veranstaltungen stattgefunden hatten, Olympia (1972) und WM (1974), die Schweiz wurde wie die Niederlande als zu klein empfunden, bei Griechenland wurde die Wirtschaftskraft bezweifelt. Und in England schlug man sich mit dem Hooliganismus herum, hatte also ganz andere Sorgen.

Italien durch Wettskandal erschüttert

So gelang es UEFA-Präsident Dr. Artemio Franchi, die EM in sein Heimatland zu holen und dem italienischen Verband die Qualifikation zu ersparen, denn der Gastgeber wurde nun wie bei einer Weltmeisterschaft gesetzt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass zum historisch ersten Maskottchen einer Europameisterschaft ausgerechnet "Pinocchio" auserkoren wurde. Denn mitten in die letzten Vorbereitungen auf das Turnier platzte die Bombe. Ein Wettskandal erschütterte die Serie A. Darin verwickelt waren mit Paolo Rossi, dem italienischen WM-Helden von 1982, Giancarlo Antognoni und Bruno Giordano drei Stammspieler der Squadra Azzurra. Und sie waren nicht die einzigen Spieler aus dem Dunstkreis der italienischen Nationalmannschaft.

Für Unmut in Italien sorgte die Art und Weise, wie der Skandal aufgearbeitet wurde, in den sieben Vereine aus der Serie A und vier aus der Serie B verwickelt waren. Während beispielsweise der AC Milan und Lazio Rom in die Serie B zwangsrelegiert wurden, kam Juventus Turin, das in den Skandal genauso verwickelt war, ungeschoren davon. Nationalcoach Enzo Bearzot stand unter dem Verdacht, dabei seine Hand im Spiel gehabt zu haben, baute er doch seine Mannschaft im Wesentlichen um einen Stamm von Juve-Spielern.

Trostlose Stadien

Angesichts des Fassungsvermögens der Stadien, die man für das EM-Turnier ausgewählt hatte, das Giuseppe Meazza (Mailand) hatte ein Kapazität von 80.000 Zuschauern, das Stadio Sao Paolo (Neapel) bot Raum für 85.000 Zuschauer, im Stadio Olimpico (Rom) hatten 79.000 Fans Platz und das Stadio Comunale (Turin) umfasste 71.000 Zuschauer, entwickelte sich die Veranstaltung zu einem Reinfall.

Die deutsche Mannschaft startete vor knapp 11.000 Zuschauern in Rom mit einem 1:0 gegen die Tschechoslowakei ins Turnier, Negativrekord blieb die Begegnung zwischen der Tschechoslowakei und Griechenland, als sich im römischen Stadion etwas unter 8.000 Zuschauer einfanden. Und die Squadra Azzurra im ersten Spiel gegen Spanien mit einer Juve-Elf ausgerechnet in Mailand auflaufen zu lassen, war alles andere als ein strategischer Geniestreich.

Die EM wurde sportlich und finanziell nicht der große Wurf, den man sich vor dem Turnier vorgestellt hatte. Auch der Verzicht auf Halbfinalspiele - die Gruppensieger Deutschland und Belgien qualifizierten sich direkt für das Finale - erwies sich als sportlich unbefriedigend. Lediglich das Endspiel, in dem sich Deutschland mit 2:1 durchsetzen konnte, vermochte in dieser Hinsicht etwas zu entschädigen - vor 48.000 Zuschauern im Stadio Olimpico.

Die Folgen

Mit der EM 1984 versuchte man, seine Lehren aus den Enttäuschungen von '80 zu ziehen. Auf der wirtschaftlichen Seite wurde der Sponsorenpool ausgeweitet, die Veranstaltung dazu benutzt, im Vorwege die EM-Stadien zu renovieren und das Turnier zu professionalisieren beziehungsweise zu kommerzialisieren. Die EM wurde zum großen Geschäft. Sportlich führte an der Wiedereinführung der Halbfinalspiele kein Weg vorbei. Der kleine Bruder der WM war auf dem Weg, erwachsen zu werden.

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