Wenn schon sein großer Rivale selbst nicht an dieser EM teilnehmen darf, trifft Portugals Superstar Cristiano Ronaldo im Viertelfinale wenigstens auf einen "Mini-Messi". So wird der künftige Wolfsburger Vaclav Pilar von den tschechischen Fans und Medien genannt. Tschechien gegen Portugal ist am Abend (20.45 Uhr/live im stern.de-Ticker) aber nicht nur das Duell der beiden Flügelflitzer oder die Suche nach dem ersten Halbfinalisten der Fußball-Europameisterschaft. In Warschau treffen auch zwei Teams und Trainer aufeinander, die sich bei diesem Turnier gegen teils massive Kritik und Zweifel in der Heimat behauptet haben.
"Ich gebe zu, dass ich diese Reaktionen immer als unangenehm empfunden habe. Aber das einzige, was daran etwas ändern kann, ist Erfolg", sagte der tschechische Trainer Michal Bilek. "Jetzt denke ich nur an die schönen Gefühle. Ich freue mich sehr, dass wir bei dieser EM im Viertelfinale stehen."
Genugtuung für unterschätzte Trainer
Zwischen Bilek und seinem Kollegen Paulo Bento gibt es einige Parallelen. Beide standen schon als Spieler meist im Schatten anderer großer Namen. Und in beiden Fällen wurde ihre Berufung zum Nationalcoach nicht gerade von Freudentänzen der Fans und Journalisten begleitet. Bilek gilt in Tschechien als Trainer ohne eigene Spielphilosophie. Bento wurde kaum zugetraut, eine schwierige Gruppe um ein Alphatier wie Ronaldo erfolgreich zu führen.
Entsprechend groß waren die Zweifel, die sowohl Portugal als auch Tschechien zu dieser EM begleiteten. Und entsprechend groß ist jetzt die Genugtuung, es allen Kritikern gezeigt zu haben. "Wir müssen noch vieles verbessern und wir sehen uns gegen Tschechien auch nicht als Favorit", meinte Bento. "Aber ich bin genau wie meine Spieler stolz auf das, was wir hier gezeigt haben. Wir sind als Einheit aufgetreten. So ist sogar das Halbfinale möglich."
Einsatz von Rosicky fraglich
Beide Mannschaften sind in Polen und der Ukraine sehr eng zusammengerückt. Je stärker der Gegenwind war, desto besser wurden sie. Die Portugiesen steckten unter anderem eine verkorkste Vorbereitung, eine Niederlage gegen Deutschland, einen Rückstand gegen die Niederlande und die schier endlosen Diskussionen über die rätselhafte Form von Ronaldo weg. Die Tschechen gingen gleich zum Auftakt gegen Russland unter (1:4) und waren im entscheidenden Gruppenspiel gegen Polen (1:0) bloß Außenseiter.
Nun wird diese Widerstandsfähigkeit bei den Tschechen wohl wieder etwas mehr gefordert sein als beim Gegner. Denn der Außenseiter bangt erneut um den Einsatz seines besten Spielers Tomas Rosicky. Der Arsenal-Profi plagt sich seit Tagen mit Problemen an der Achillessehne herum. Ein Training am Mittwoch in Breslau war zwar möglich, ein Einsatz in Warschau ist dennoch fraglich. "Das ist keine Bezirksliga, in der du ohne Training spielen kannst", sagte Teammanager Vladimir Smicer. Vor einem EM-Viertelfinale sollte man schon "mindestens zwei Trainingseinheiten absolvieren".
Portugiesen ohne Personalsorgen
Die Portugiesen haben dagegen keine Personalsorgen. Auch Ronaldo steht nach seinen beiden Toren gegen Holland nicht mehr in der Kritik. Das einzige, was beim Gedanken an die Tschechen noch etwas schmerzt, ist die Erinnerung an die Viertelfinal-Niederlage 1996 durch das Zaubertor von Karel Poborsky. Portugals Raul Meireles spricht sogar schon ganz leise vom Titel. "Ich bin mit Chelsea auch Champions-League-Sieger geworden, als uns niemand etwas zugetraut hat", sagte er. "In der Nationalelf war das vor der Euro genauso."