Kein Tor, kaum Gefahr - die Abteilung Attacke ist nach der tristen Nullnummer gegen Polen in die Kritik geraten. Der herausragende Abwehrchef Jérôme Boateng ging nach dem offensiv ernüchternden zweiten EM-Spiel des Fußball-Weltmeisters im Endspielstadion von Saint-Denis verbal in den Angriff über.
"Wir kommen nicht am Gegner vorbei, werden nicht gefährlich. Wir haben kein Eins-zu-Eins-Duell in der Offensive gewonnen", lautete das harte, aber ehrliche Urteil von Boateng. Die mit Mario Götze, Thomas Müller, Mesut Özil und Julian Draxler besetzte Offensivreihe hatte schon gegen die Ukraine Lieferschwierigkeiten. "Das müssen wir ändern, sonst kommen wir nicht weit", so Boatengs knappes Urteil. Das saß.
Jérôme Boateng ist mehr als ein Typ
Dass aber Boateng sich nach dem Abpfiff hinstellt und so deutliche Worte findet, ist ungewöhnlich für eine Nationalmannschaft, die der DFB gern als aalglattes Produkt vermarktet und die oft dafür kritisiert wird, dass dem Team die Typen fehlen.
Die besten Sprüche der EM 2016
"Ich hoffe, dass Puma keine Pariser macht."
"So ist das im Fußball. Mal ist man der Hund, mal ist man der Baum. Kritik im Fußball gehört zum Geschäft."
"Die standen ja mit 20 Mann hinten. Das ist normal, dass man dann seine Schwierigkeiten hat."
"Das wird ein sehr hartes Spiel gegen Deutschland. Aber manchmal ist Fußball auch ein romantisches Spiel, manchmal kommen die Underdogs durch."
"Deutschland hat eine starke Abwehr - einen großartigen Torhüter und zwei sehr gute Verteidiger - aber man kann jede Wand zum Einsturz bringen."
"Wenn wir joggen, dann kommt die Security mit. Man hat dann so ein präsidiales Gefühl, das hat mir ganz gut gefallen."
"Keiner!"
"80 Prozent von euch haben sich auch schon mal die Eier gekrault. Von daher ist alles gut."
"Bitte lasst uns über Fußball reden. Wir sind nicht bei einer Streetfight-EM, wir wollen Fußball spielen."
"Wenn er mich einlädt, bin ich natürlich dabei. Wenn nicht, bin ich irgendwo in Köln unterwegs."
"Wir waren vor dem Spiel gegen Rumänien nicht die Besten, danach sind wir auch nicht die Schlechtesten."
"Es ist gut, wenn man einen Jérôme Boateng als Nachbarn in der Abwehr hat."
"Wenn das Turnier vorbei ist, wissen wir, wie wichtig das erste Spiel war."
"Ich bin auch langsam."
"Die kroatischen Fans wissen, wie man ihr Nationalteam unterstützt. Diejenigen, die immer wieder Probleme machen, sind für mich keine Fans. Die nenne ich immer die anti-kroatischen Fans."
"In Nordirland leben viele Polen, die haben uns bei unserer Recherche geholfen."
"Vielleicht ist mein Bett ein kleines bisschen zu weich."
"Wenn ich sagen würde, wir wollen die EM nicht gewinnen, würde ich mir eine einfangen vom Trainer."
"Das ist eine Mannschaft, die Millionen, hunderte von Millionen wert ist."
"Würde mir jemand den Zopf abschneiden, ginge meine Kraft verloren."
"Wenn wir joggen, dann kommt die Security mit. Man hat dann so ein präsidiales Gefühl, das hat mir ganz gut gefallen."
Schon Boatengs Reaktion auf die von Alexander Gauland ausgelöste "Nachbar"-Debatte war so souverän wie sein Spiel als Innenverteidiger: "Kann ich nur drüber lächeln. Ist traurig, dass so etwas heute noch vorkommt." Mit wenigen Worten machte er klar, dass er über so einem Angriff steht, statt die Provokation zu kontern und Öl ins Feuer zu gießen.
Genau der richtige Reizpunkt
Nun aber geht es darum, dass das DFB-Team sein Feuer wiederentdeckt. Mit dem schwachen Spiel gegen Polen hat die Mannschaft gezeigt, dass der Weg zum Titel auch im ersten K.o.-Spiel zu Ende sein könnte. Und da setzt Boateng mit seinem Ausbruch kurz nach Abpfiff genau den richtigen Reizpunkt. Seine offenen Worte zeigen, dass er nicht nur ein Führungsspieler ist. Er ist der heimliche Kapitän - auch, wenn jemand anderes die Binde trägt.