Als deutscher Fußballfan hat man sich auch Tage nach dem bitteren EM-Aus noch nicht so recht daran gewöhnt. Am Dienstag wird einem dann nochmal besonders schmerzvoll bewusst, dass das Turnier weitergeht – ohne Deutschland. Was uns bleibt: Meckern. Über vergebene Chancen, angebliche Fehler in der Aufstellung und natürlich zu aller erst über den Schiedsrichter. Handspiel vom Spanier Marc Cucurella. Alles zu gesagt.
Aber Meckern und Jammern gehört dazu – zumindest für die Verlierer. Wir haben schließlich einen Grund dazu. Was aber dieser Tage auffällt beim Blick auf eben die Nationen, die noch im Turnier sind: Die sind ja auch alle unglücklich.
Superstar Mbappe wird am Dienstag von Frankreich-Legende Emmanuel Petit "eines Kapitäns unwürdig" genannt. "Nicht auf der Höhe" sei der Neuzugang von Real Madrid. In Spanien ist Kapitän Alvaro Morata Dauerzielscheibe der Medien und erboster Social-Media-Fans. Die Zeitung "El Confidencial" titulierte zuletzt: "Morata, ein Kapitän, der Spanien nicht nur wegen seiner schlechten Leistungen bei der Europameisterschaft beschämt". In England trifft es vor allem Coach Gareth Southgate. Der schaffe es, aus einem hochbegabten Kader Spiel für Spiel die Minimalleistung herauszupressen und ließe das Ensemble um Bellingham, Kane und Co. viel zu defensiv spielen.
EM 2024: Immerhin dürft ihr noch mitfiebern!
Natürlich ist diese Kritik nicht aus der Luft gegriffen, mein Kollege Moritz Hermann hat hier etwa niedergeschrieben, wie unterirdisch das Niveau dieser EM insgesamt war. Dennoch möchte man als deutscher Fußballfan rufen: Eure Probleme hätte ich gerne!
Es wird gejammert und gemosert, doch um es mit Altkanzler Helmut Kohl zu sagen: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt." In diesem Fall ist das das Halbfinale bei einer EM, mindestens. Unter den vier besten Mannschaften Europas stehen. Die Chance auf zwei geile K.o.-Spiele zum Mitfiebern. Ich würde meinen rechten Arm (und den linken von Cucurella) dafür geben, am Dienstag oder Mittwoch noch einmal gebannt vor dem Fernseher sitzen zu dürfen.
Warum es diesmal sechs Torschützen-Könige geben könnte

Deshalb könnte es dazu kommen, dass gleich sechs Spieler Torschützenkönige werden, nämlich neben Olmo auch Harry Kane (England), Jamal Musiala (Deutschland), Cody Gakpo (Niederlande), Ivan Schranz (Slowakei) und Georges Mikautadze (Georgien).
Kane und Olmo können natürlich im Finale mit einem Tor die Sache für sich entscheiden – und echte Könige werden. Vielleicht schießen ja auch Jude Bellingham (England) oder Fabian (Spanien) zwei Tore und liegen am Ende vorn. Besonders viele Tore wären es nicht. 1984 schoß Michel Platini (Frankreich) sagenhafte neun Tore, sein Landsmann Antoine Griezmann kam 2016 immerhin auf sechs Treffer. Übrigens: Tore aus einem Elfmeterschießen am Ende eines Spiels zählen nicht mit.
Fast alle großen Erfolge der deutschen Fußballgeschichte wurden, nun ja, nicht gerade herbeigezaubert. Rumpelfußball und am Ende gewinnen, war lange das stolze Motto der Nation. Abgesehen vom WM-Titel 2014 vielleicht. Aber wie wir heute alle wissen, war das nicht der Beginn einer glorreichen neuen Zeit. Es war eher der Anfang vom Ende.
Ganz im Sinne von Per Mertesackers legendäre Eistonnen-Rede sollten sich unsere Nachbarn wieder auf die Basics des Spiels besinnen. Am Ende gewinnt eben nicht immer der schönste Fußball, sondern wer ein Tor mehr als der Gegner macht – und da zählen auch Elfmeter und Eigentore.