FC Bayern Projekt Klinsmann gescheitert

Von Michael Neudecker
Nach der enttäuschenden Niederlage gegen Schalke 04 muss sich der FC Bayern eingestehen, dass das Projekt Klinsmann wohl endgültig gescheitert ist. Klinsmann selber will davon nichts wissen. Der Bayern-Trainer setzt weiter auf Durchhalteparolen.

Franck Ribéry wollte weg, einfach weg. Normalerweise läuft es folgendermaßen ab, wenn er nach einem Spiel die Mixed Zone der Münchner Arena betritt: Er schlurft an den Fernsehkameras vorbei, hält bei den Kollegen aus Frankreich, spricht, macht gelegentlich Witze, klatscht mal dort einen Mitspieler ab und mal hier einen Kumpel, dann schlurft er weiter zum Ausgang. Schreibt Autogramme, steigt ins Auto, und fährt. Aber nun, am Samstagnachmittag, war es anders: Ribéry kam als Erster, er ging schnell, grußlos, ließ die französischen Reporter mit einem "heute nicht, pardon" stehen - und war dann weg. Er hatte keine Lust zu reden. Man kann das verstehen.

Ribéry hatte das Bundesligaspiel des FC Bayern gegen den FC Schalke 04 nach einer gelb-roten Karte nach 76 Minuten beenden müssen, überhaupt war es einer dieser Nachmittage für den FC Bayern, über die man am liebsten nie wieder sprechen würde: 0:1 gegen Schalke, miserabel gespielt, gegen eine Mannschaft verloren, deren Trainer Mike Büskens nach dem Spiel geradezu anmaßend sagte: "Naja, wir haben heute ein Tor geschossen, das hat gereicht." Ein Tor und sonst nichts mehr tun reicht gegen die Bayern, so weit ist es gekommen.

Gerade deshalb aber wird noch viel zu sprechen sein an der Säbener Straße über diesen Samstagnachmittag. Über das Warum, das Was nun. Und über Jürgen Klinsmann.

Bayern-Manager Uli Hoeneß sagte nach Spielende erst einmal: nichts. Er schweigt schon seit der Blamage von Barcelona, ebenso wie sein Vorstandskollege Karl-Heinz Rummenigge, der zwar im Stadion weilte, wie seit Wochen aber jeglichen Kontakt mit den Journalisten vermied. Sie hätten ein Statement abgeben, hätten sich für ihren Trainer Jürgen Klinsmann aussprechen können, ihn gerade in seiner schwersten Zeit stützen - dass sie es nicht taten und nicht tun, lässt viel Raum für Spekulation.

Parolenhafte Appelle

Lediglich die Führungsspieler der Münchner konnten sich zu Aussagen für ihren Trainer durchringen: "Ihr könnt spekulieren, aber für uns ist das kein Thema", sagte Kapitän Mark van Bommel. Gleich mehrmals sagte er, dass der Trainer "kein Thema" sei, und Philipp Lahm sprach in etwa Gleiches: "Wir sitzen alle in einem Boot", sagte Lahm, "und wir, die Spieler, stehen ja auf dem Platz, wir müssen besser spielen." Das "Wir" betonte er dabei ganz besonders. Franz Beckenbauer, immerhin, sah es ähnlich: Die Mannschaft, sagte Beckenbauer, müsse sich "jetzt in die Pflicht nehmen".

Aussagen wie Letztere waren vor der Partie zuhauf vernehmbar vom FC Bayern, parolenhafte Appelle des Trainers Klinsmann, flammende Bekenntnisse der Spieler. Als die Partie dann aber lief, war von all dem wenig zu sehen. Die Bayern wirkten über weite Strecken hilflos, ideenlos, wirkungslos. Schalke genügte ein simpler Eckstoß in der 21. Minute, um durch Halil Altintop den entscheidenden Treffer zu erzielen. Für den FC Bayern dagegen notierten die Statistiker 15 Ecken und 21 Torschüsse - der Grad derer enormen Harmlosigkeit indes lässt sich in Zahlen nicht festhalten.

"Klinsmann raus"-Rufe

"Das ist sehr, sehr ärgerlich", stellte Klinsmann fest, "und natürlich frustet das." Zumal: Sollte der VfL Wolfsburg am Sonntagabend bei Energie Cottbus gewinnen, dürfte es eng werden mit dem Meistertitel für die Münchner, "dann schaut es schlecht aus", erkannte auch Klinsmann.

Die Fans hatten seinen Rauswurf wieder lautstark gefordert, die "Klinsmann raus"-Rufe werden allmählich ja zum Alltag in der Arena. Klinsmann aber - dem wahrlich nicht vorgeworfen werden kann, sich vor unangenehmen Fragen zu verstecken - nahm dazu erneut Stellung: "Ich habe Verständnis für die Fans", sagte er, "das muss ich schlucken."

Wie lange noch? "Wir ziehen das durch, mit aller Energie", sagte Klinsmann. Ob der Druck aber nun nicht langsam zu groß werde? Der Druck, ach, antwortete Klinsmann, "das ist gar kein Problem".

Schieflage beim Vorzeigeklub

Klinsmann kämpft, das tut er wirklich. Kampf alleine aber muss nicht immer eine gute Leistung bedeuten, Klinsmann, der ehemalige Stürmer, weiß das. Er weiß auch: Dass es längst nicht mehr nur um die Frage geht, wie groß der Anteil des Trainers Klinsmann an dieser wohl erfolglosen Saison des FC Bayern ist, sondern auch um die Frage, was sonst so alles falsch läuft in Deutschlands Vorzeigeklub - das muss für seinen Job beim FC Bayern nichts bedeuten. Mannschaften verlieren, ihre Fans sind enttäuscht, und die Folge davon ist nahezu immer: eine heftige Trainerdebatte. Klinsmanns Zukunft beim FC Bayern wird immer unwahrscheinlicher, je lauter und länger diese Debatte geführt wird.

Für Sonntagvormittag, elf Uhr, hat Klinsmann nun ein öffentliches Training angesetzt, ein wenig auslaufen, entspannen, am Montag dann hat die Mannschaft frei. Noch am Samstagabend war zu vernehmen, es sei unwahrscheinlich, dass am Sonntag Entscheidendes in der Trainerfrage passiere.

Allerdings: Sicher ist nach diesem sonderbar lethargischen und uninspirierten Auftritt gegen Schalke nichts mehr.

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