Frauenfußball - DFB-Team Das Leid mit der Leichtigkeit

Oft konnte man die Tore nicht an einer Hand abzählen: Die Deutschen verwöhnen ihre Fans seit Jahren. Ausgerechnet bei der WM gibt es bisher Rumpelfußball. Ist der Rummel zu groß?

Dritte Plätze sind was für Männer" – das ist mal eine Ansage. Die Werbung der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender für die Frauenfußball-WM kommt selbstbewusst daher. Vielleicht sogar eine Spur zu großmäulig. Zumindest könnte der den deutschen Fußballfrauen in den Mund gelegte Slogan sich zu einem Bumerang entwickeln. Das Viertelfinale ist erreicht, doch bravourös waren die Spiele gegen Kanada und Nigeria nicht. Das Team wirkt gehemmt und belastet. War der Hype im Vorfeld um die Weltmeisterschaft im eigenen Land zu groß? Sind die Kulissen der großen Stadien zu ungewohnt? Oder ist es der eigene Erwartungsdruck, der die Spielfreude versiegen lässt?

Die Spielerinnen wirkten gehemmt

Die Suche nach den Ursachen für die wenig berauschenden Darbietungen hat begonnen. "Auf mich wirkten die Spielerinnen sehr gehemmt. Es war nicht so federleicht wie in den Spielen davor. Vielleicht ist die Belastung doch zu groß gewesen, weil man unbedingt in die nächste Runde einziehen wollte", mutmaßte Bundestrainerin Silvia Neid nach dem mühevollen und glücklichen 1:0-Sieg gegen Nigeria. "Ich glaube, es hängt mit dem Kopf zusammen und den hohen Erwartungen. Ich werde sehr viele Einzelgespräche führen."

Zu groß der Hype – und die Kulisse

Die große Kulisse und die Last der Favoritenrolle scheinen die Spielerinnen eher zu lähmen als zu beflügeln, was Kim Kulig am Freitag energisch bestritt: "Die Menschenmassen haben nichts mit unserer Leistung zu tun." Doch nicht alle Spielerinnen gehen so cool mit der vollen Aufmerksamkeit um. "Von außen wird so ein Druck rein gebracht, dass wir unbedingt zum dritten Mal Weltmeister werden müssen", sagt Celia Okoyino da Mbabi stern.de. Nadine Angerer gab vor dem Auftakt in Berlin zu: "Natürlich beeinflusst einen das, wenn da 70.000 Leute im Stadion sind. Da ist es schwierig, den Tunnelblick zu halten." Im Schnitt spielen die Frauen sonst vor 900 Zuschauern, wenn sie in der Liga kicken, bei einigen Vereinen sind es immerhin einige tausend, die am Spielfeldrand stehen. Die großen Stadien gibt es nur bei Turnieren – und da sind die Ränge selten vollbesetzt.

Bevor nun jemand "Typisch Frau" ruft, kommt hier die Rückendeckung von einem Mann: „Ich habe als junger Nationalspieler bei der WM 2006 gespürt, was eine riesige Erwartungshaltung in einem auslösen kann", sagt Per Mertesacker stern.de. "Ich glaube schon, dass einige aus der Frauennationalmannschaft diese Erfahrung jetzt auch machen." Mertesacker kam allerdings mit dem hohen Druck sehr gut zurecht.

Favoritenrolle sehr gern getragen

Neid will jetzt ergründen, "wie sich die Spielerinnen fühlen" und die "nächsten Spiele vorstellen". Man müsse auch vor 50.000 Fans in der Lage sein, den Ball anzunehmen und zur Mitspielerin zu passen, kritisierte die Trainerin schonungslos.

Die Bürde des Turnierfavoriten müsse man trotz der schwächeren Leistung weiter tragen. "Alle Mannschaften geben gegen uns 120 Prozent. Wir sind nun mal in der Favoritenrolle. Und da bewegen wir uns im Moment auch gerne", sagte die Trainerin. Sie ist froh, dass ihre am Freitag mit der Bahn nach Düsseldorf gereiste Mannschaft nun ein paar Tage zur Pflege und Regeneration hat. Zeit, die Wunden zu kühlen und die Köpfe frei zu bekommen.

Der Lauf beginnt im dritten Gruppenspiel

Per Mertesacker macht den Frauen Mut: "Es ist im Moment extrem, wie die Zeitungen und das Fernsehen über die Frauen-WM berichten. Ich wünsche den Mädels, dass sie im Viertelfinale befreiter aufspielen können. Dann kann es immer noch einen Lauf geben." Und der soll schon im dritten und letzten Gruppenspiel einsetzen. Linda Bresonik versprach, die Verhältnisse gegen die "Equipe tricolore" nach deren 4:0 gegen Kanada wieder gerade zu rücken. "Ich kann mir vorstellen, dass die Französinnen jetzt auf Wolke sieben schweben. Da wollen wir sie wieder runter holen."

mit Agenturen

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