Der korruptionsgeschädigte Weltverband FIFA setzt zur Aufarbeitung seiner Skandale auf die Hilfe externer Experten und gewährt nach jahrelanger Weigerung nun doch Einblick in die brisanten ISL-Gerichtsakten. "Vielleicht gibt es einige Menschen in der FIFA, die korrupt sind, aber die Institution FIFA ist nicht korrupt", sagte Verbandschef Joseph Blatter am Freitag in Zürich.
Einen Rücktritt schloss er nach der zweitägigen Krisensitzung der FIFA-Regierung aus, mit einem Zwei-Jahres-Plan will er dem Verband das Überleben sichern. "Ich hoffe, wir schaffen es schon vorher, den guten Ruf wieder herzustellen und wieder glaubwürdig zu sein", sagte Blatter.
Die Revolution blieb aus, aber immerhin wurden erste Reformen eingeleitet. In einem sogenannten Good Governance Komitee werden externe Experten wie Juristen, Sponsoren oder Politiker vertreten sein, um Verfehlungen der Vergangenheit aufzudecken und Maßnahmen für die Zukunft zu entwickeln. Das Gremium, von Blatter nach seiner skandalumtosten Wiederwahl Anfang Juni als Lösungskommission initiiert, soll noch in diesem Jahr mit den Aufräumarbeiten beginnen.
Fünf neue Arbeitsgruppen - Zwanziger mit dabei
Und auch die Wahl des Gastgebers der Weltmeisterschaft wird neu gestaltet. War es bislang das FIFA-Exekutivkomitee, das den Ausrichter bestimmt, soll nun der FIFA-Kongress die Wahl durchführen. Dem Komitee kommt nur noch die Aufgabe zu, einen Kandidaten vorzuschlagen.
"Die FIFA hat die Kurve gekriegt, aber jetzt geht die Arbeit los", sagte Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied von Transparency International. Vier weitere Arbeitsgruppen werden geschaffen, die die FIFA aus der schlimmsten Krise ihrer 107-jährigen Geschichte führen sollen. Korruptionsvorwürfe gegen mehrere Top-Funktionäre und der Verdacht auf Bestechung bei der umstrittenen WM-Vergabe an Russland (2018) und Katar (2022) hatten den Verband in Schieflage gebracht.
Den Vorsitz des Gremiums zur Überprüfung der Statuten übernimmt DFB-Präsident Theo Zwanziger. Als weitere Konsequenz aus den Skandalen der Vergangenheit wird das Ethikkomitee umgebaut. In Zukunft wird es zwei getrennte Kammern geben: Anklage und Gericht.
Die Akten werden geöffnet
Zudem gab Blatter bekannt, dass die FIFA nach jahrelanger Weigerung nun doch Einblick in die Akten aus der ISL-Bestechungsaffäre gewähren werde. Damit könnten die Namen von hochrangigen Funktionären und FIFA-Vorständlern publik werden, die von der mittlerweile bankrotten Vermarktungsagentur ISL bestochen worden sein sollen und bis heute anonym geblieben sind.
"Der Fall ISL hat schon viel Unruhe verursacht. Heute hat das Exekutivkomitee auf meine Bitte beschlossen, diese Akte zu öffnen. Das ist eine Akte mit rechtlichen Auswirkungen, und wenn Maßnahmen zu ergreifen sind, wird das nicht das Exko tun, sondern eine externe Organisation", erklärte der 75 Jahre alte Schweizer.
Bei den Beschuldigten soll es sich um die Exko-Mitglieder Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun) handeln. Auch der Name des früheren FIFA-Präsidenten Joao Havelange soll in den brisanten Akten auftauchen. Alle Betroffenen bestreiten die Vorwürfe.
Aufgabe keine Option
Ob nun aus freien Stücken oder erzwungen, dieser Schritt Blatters ist mehr als nur ein symbolischer Akt. Eine Stunde lang saß der Schweizer am Freitagnachmittag auf dem Podium und versuchte, Überzeugungsarbeit in eigener Sache zu leisten. Aufgeben werde er nicht, beschied er einem britischen Fragesteller.
"Ich bin gewählt worden und wurde beauftragt, die FIFA wieder in Ordnung zu bringen. Ich habe überhaupt nicht die Absicht zurückzutreten", sagte er. "Sie werden immer irgendwo in der FIFA Doping, Gewalt, Rassismus oder Korruption finden, aber wir arbeiten daran", sagte Blatter, als er um 15.03 Uhr vor die Presse trat.
Im Dezember soll bekannt sein, welche 15 bis 18 Experten die neu geschaffene Kommission bilden. Henry Kissinger oder Placido Domingo, deren Namen nach dem FIFA-Kongress Anfang Juni kolportiert wurden, werden es jedenfalls nicht sein. Stattdessen will Blatter unter anderen einen aktuellen Politiker, Juristen, Sponsoren, Spieler, Vereinsvertreter oder auch Schiedsrichter versammeln.
"Dieses Komitee ist eine Überwachungsinstanz und hat vor allem dafür zu sorgen, dass die Reformen, die der Kongress verlangt hat, insbesondere Transparenz und null Toleranz, durchgeführt werden. Es muss, wenn nötig, Anti-Korruptionsmaßnahmen vorschlagen und eine Meinung abgeben, damit der Fußball wieder den von ihm verdienten Platz einer Weltinstitution einnehmen kann", erklärte Blatter.