Fußball-Presseschau Bestecher und Korrupte

Der europäische Fußball wird in einem Sumpf von Mafiamethoden und Schmiergeld versinken. Die SZ fürchtet für die EM in Polen und der Ukraine 2012 das Schlimmste. Ausgerechnet die konserative FAZ freut sich über die Experimentierfreude von Geld- und Machtmensch Sepp Blatter.

Frank Heikes (FAZ) Hoffnung auf ein spannendes und intensives Pokalhalbfinale ist on Wolfsburg und Stuttgart enttäuscht worden; zudem bedauert er Marcelinho: "Es war ein Spiel zum schnellen Vergessen, kein Vergleich mit dem stimmungsvollen Abend von Nürnberg, auch wenn es endlich mal echte Fußballstimmung gab in Wolfsburg. (...) Das Spiel zeigte auch die aus Berlin bekannte Gefahr eines Marcelinho-Transfers: Man macht sich von ihm und seiner Tagesform abhängig, weil die Mitspieler sich automatisch ausruhen, wenn einer so dominant ist. Was soll Marcelinho denn machen: Entweder wird er schlecht angespielt von den Wolfsburger Grobmotorikern, oder die Kollegen können mit seinen Pässen nichts anfangen. (...) Der VfL Wolfsburg hat die große Chance verpasst, überregionale Werbung für sich zu machen."

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Thomas Kistner (SZ) erneuert anlässlich der falschen Abseitsentscheidung gegen Wolfsburg seine Forderung nach dem Video-Beweis im Fußball: "Tatsächlich werden im Fußball Irrtümer per Videobeweis korrigiert, auch und gerade Urteile der Referees: etwa wenn brutale Ellbogenstöße übersehen wurden. Hier dient die Technik der Urteilsfindung – warum also sollte der menschliche Makel dort als wichtiges Spielelement geschützt werden, wo er Resultate verfälscht oder den Ausgang von Turnieren und Meisterschaften? Die Furcht vor dem unbestechlichen TV-Auge ist eine Eigentümlichkeit der Kickerbranche. Basketball, Eishockey, Fechten, Tennis und andere nutzen es längst zur Trefferermittlung."

Zwei würdige Finalteilnehmer

Nürnbergs Einzug ins Pokalfinale, ein Triumph der Gebeutelten – Volker Kreisl (SZ): "Nürnberger Fans, das waren immer die, deren Verein 1969 als Meister abgestiegen war. Das waren die, deren Schatzmeister in den achtziger Jahren eine schwarze Kasse geführt hatte. Und die Nürnberger hatten es auch 1999 fertig gebracht, nahezu gesichert abzusteigen, weil die Kommunikation nicht klappte. Die Mannschaft wusste nichts vom Spielstand der Konkurrenz, perfekt aufgebaut war dafür die Bretterbühne für die Feier des Klassenerhalts, auf der dann Trauerreden gehalten wurden. Die Anhänger bezogen ihr Selbstbewusstsein aus der Vergangenheit, und auf den Spielern lasteten die fünf Titel der zwanziger Jahre. Seit Dienstag steht der Club in einem Finale, auch wenn es nur der DFB-Pokal ist: Für die Traumatisierten vom Valznerweiher ist dieser Einzug in Wahrheit ein Titel. (...) Die Bilder von den Jubelfeiern ließen für Außenstehende bizarre Schlüsse zu: Wird der Titel im DFB-Pokal neuerdings schon an den ersten Halbfinalsieger vergeben?"

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) gönnt den beiden Siegern die Finalteilnahme: "Die Saison, die lange so wirr und chaotisch gewirkt hat, findet in dem Duell zwischen Stuttgart und Nürnberg doch noch einen würdigen, logischen Höhepunkt. Im Berliner Olympiastadion werden zwei Vereine aufeinander treffen, die ein Konzept haben, eine klug zusammengestellte Mannschaft und einen Trainer mit Ideen – das unterscheidet sie von vielen ihrer Konkurrenten. Stuttgart und Nürnberg sind keine großen Namen, aber sie versprechen ein großes Spiel." Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) fügt hinzu: "Der Erfolg ist das Ergebnis der Arbeit zweier Trainer, deren Qualitäten auch darin liegen, in einem nicht eben einfachen Umfeld zurechtzukommen."

Vergessen und vergeben

Sehr gemischte Meinungen zur Entscheidung der Uefa, die EM 2012 Ukraine und Polen zuzusprechen. Roland Zorn (FAZ) feiert das Öffnungsangebot an Osteuropa: "Das gab es noch nie, soll aber erst der Anfang der neuen Realität sein. Europäische Fußball-Großereignisse sind nicht mehr ausschließlich ein Fall für erprobte Ausrichterländer aus West- oder Südeuropa. Die Uefa hat allen, die an die traditionelle Verteilung der Pfründe glaubten, Europas veränderte Landkarte vor Augen geführt. So wie die Europäische Union ihren Kinderschuhen entwachsen und auf inzwischen 27 Staaten erweitert worden ist, musste sich auch das Spektrum des Fußballs auf diesem Kontinent vergrößern. Die Uefa-Exekutive hat Fingerspitzengefühl bewiesen und den Mut, endlich auch andere als die allseits bekannten Wege zu gehen."

Kistner (SZ) hingegen beanstandet die Geschäftsmoral der ukrainischen und polnischen Spitzenfunktionäre: "Sinnfällig für eine gewisse Verwahrlosung im Fußball steht nun das Siegerbild von Cardiff: Die triumphierenden Verbandsfürsten Michal Listkiewicz (Polen) und Grigorij Surkis (Ukraine). Listkiewicz verwaltet einen so korrupten Spielbetrieb, dass ihn Sportminister Thomas Lipiec im Januar wegen der Verwicklung in einen Manipulationsskandal suspendiert hatte. Doch die Fifa, deren Chef Sepp Blatter privat ein Freund von Listkiewicz ist, reagierte mit einem Ultimatum bis Ende März: Polen würde aus dem Weltfußballbetrieb ausgeschlossen, wenn bis Ende März die Funktionäre nicht wieder eingesetzt sind. Was ja auch bedeutet hätte: keine Euro-Kür im April. Anzunehmen, dass da jede Regierung einknickt – Politiker wollen wiedergewählt werden, auch von Millionen Fußballfans im Lande. Auch dem Triumphator Surkis wird seine Vergangenheit nicht nachgetragen. Etwa, dass er einst als Klubchef von Dynamo Kiew in eine Schiedsrichterbestechung verwickelt war, die seinem Bruder immerhin einen lebenslänglichen Bannstrahl durch die Uefa eintrug. Vergessen, vergeben."

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