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Europapokalsieg 1983 "Euch werden wir es schon zeigen": Als der HSV den größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte feierte

Stolz recken die HSV-Spieler Horst Hrubesch (l.) und Ditmar Jakobs den Pokal der Landesmeister in die Höhe
Der 25. Mai 1983: Stolz recken Horst Hrubesch (l.) und Ditmar Jakobs nach ihrem Sieg gegen Juventus Turin in Athen die Arme und den Pokal der Landesmeister in die Höhe.
© DPA
Der HSV zählte einmal zu Europas Fußball-Elite. Am 25. Mai 1983 gewann der Verein den Europapokal der Landesmeister. Die Wirkung des glorreichen Erfolges reicht bis in die trübe Zweitliga-Gegenwart.

So sehen HSV-Helden von einst heute aus: Die Haarpracht ist lichter und grauer, die Hüften sind fülliger, in den Gesichtern der gesetzten Herren um die 70 zeigt sich die eine oder andere Falte. Doch ihr 1:0-Triumph im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin am 25. Mai 1983 ist für den Verein aus Hamburg so präsent wie damals – und trotz seiner gegenwärtigen Zweitklassigkeit noch immer wesentlicher Teil des Selbstverständnisses.   

"In dem Moment vor 40 Jahren, als man da gespielt und gewonnen hat, da hat keiner von uns den Gedanken gehabt, dass das auch nach so vielen Jahren noch so einen einmaligen Stellenwert hat", sagt Bernd Wehmeyer (70) der Deutschen Presse-Agentur. Man habe gedacht, "dass andere Erfolge oder der gleiche Erfolg in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten folgen würden", meint der einstige Verteidiger.

HSV-Ziel heute: zurück in die 1. Liga

Doch anders als beispielsweise bei Bayern München – dem großen nationalen Widersacher der frühen 80er-Jahre – blieben die ganz großen internationalen Erfolge in den Jahren und Jahrzehnten danach aus. Nichts beschreibt den Unterschied zu damals besser als das Saisonziel von heute: Für den HSV wäre in diesem Jahr die Rückkehr in die Bundesliga nach fünf Jahren 2. Liga der große Erfolg. 

Am Samstag erlebte das ausverkaufte Volksparkstadion im letzten Zweitliga-Heimspiel der Saison gegen die SpVgg Greuther Fürth noch einmal einen Hauch der großen Fußball-Geschichte des Hamburger SV. Und von dem, warum sich der Verein als etwas Besonderes versteht. Die Heroen von Athen waren geladen und durften sich von Fans bejubeln lassen.

Viele der Anhänger im Stadion hätten ihre Enkelkinder sein können. Dabei kennt die junge Fan-Generation den größten Erfolg in der 136 Jahre langen Historie ihres Herzensvereins nur von alten TV-Aufnahmen oder aus dem HSV-Museum. Und doch genießen Spieler wie Horst Hrubesch (72), Magath (69), Manfred Kaltz (70) oder Ditmar Jakobs (69) Legenden-Status. 

Zum Finale am 25. Mai 1983 in Athen war die Mannschaft von Trainer-Legende Ernst Happel als Außenseiter gereist. Juventus Turin sei damals das gewesen, "was Real Madrid und Manchester City im europäischen Fußball heute sind", wie Magath im Interview mit dem "Kicker" sagte. Juve bestand aus Spielern der italienischen Weltmeistermannschaft von 1982 plus dem französischen Ausnahmespieler Michel Platini und dem polnischen Weltklassemann Zbiginiew Boniek.

Entsprechend selbstbewusst trat die italienische Mannschaft des späteren Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni auf. Bei der Platzbesichtigung im Olympiastadion kam es zu einer kurzen Begegnung der beiden Mannschaften. Die HSV-Spieler standen in Trainingsanzügen auf dem Spielfeld, als die Italiener im feinen Anzug kurz auf den Rasen traten.

"Die kamen einmal auf den Platz, haben einmal geguckt. So nach dem Motto: Im Vorbeigehen machen wir das mal", erinnert sich Torhüter Uli Stein (68). "Da haben sie uns im Endeffekt den letzten Kick gegeben. Da haben wir gesagt: Euch werden wir es schon zeigen." 

Juves Torhüterlegende Dino Zoff weist das zurück. "Das ist alles Blödsinn! Klar waren wir favorisiert, Italien war ja Weltmeister, außerdem hatten wir Platini. Also tippte jeder auf uns", sagte der heute 81-Jährige in einem DPA-Interview. "Aber dass wir schon vor dem Spiel an die Feier nach dem Spiel gedacht haben: Jetzt übertreiben wir mal nicht."

Magaths entscheidender Treffer fiel früh. Nach Zuspiel von Jürgen Groh traf der Spielmacher in den Winkel. Unhaltbar für Weltmeistertorwart Zoff, wie Magath gern betont. Etwas mehr als anderthalb Stunden später hob Kapitän Hrubesch den Henkelpott in den griechischen Nachthimmel.

Nur zweimal spielt der HSV noch in der Champions League

"Vater des Erfolges" war für Wehmeyer Manager Günter Netzer. "Er hat letztlich diese Mannschaft auch so zusammengestellt", sagt der heutige Vizepräsident des HSV e.V. Netzer war ein Jahr nach dem HSV-Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1977 nach Hamburg gekommen und hatte den Mut, einen Umbruch einzuleiten und arrivierte durch Spieler aus der 2. Liga wie Hrubesch, Wehmeyer oder Jimmy Hartwig zu ersetzen.

Die Europapokalsieger des HSV von 1983 heute: Manfred Kaltz (l.), Felix Magath (M.) und Jimmy Hartwig
40 Jahre danach: Die Europapokalsieger von 1983 Manfred Kaltz (l.), Felix Magath (M.) und Jimmy Hartwig am vergangenen Wochenende beim letzten Heimspiel des HSV gegen Greuther Fürth im Volksparkstadion.
© Marcus Brandt / DPA

Dazu holte er Branko Zebec als Trainer, der den Verein gleich 1979 zum Meistertitel führte und 1980 schon einmal das Finale des Landesmeister-Pokals gegen Nottingham Forest (0:1) erreichte. Unter dem als Grantler berühmten Österreicher Ernst Happel folgten nach dessen Dienstantritt 1981 zwei weitere deutsche Meisterschaften (1982, 1983). Netzer ging 1986, der 1992 verstorbene Happel verabschiedete sich 1987 mit dem DFB-Pokal-Sieg.

"Im Endeffekt ist es schade, dass wir uns noch immer daran zurückerinnern müssen und dass es der HSV nicht geschafft hat, annähernd an diese Zeiten anzuknüpfen", sagt Ex-Nationaltorhüter Stein. In Deutschland seien sie damals das gewesen, was Bayern München heute ist. "Wir haben uns damals mit den Bayern bekämpft, waren aber noch immer einen Tick besser als die Bayern", meint der gebürtige Hamburger. "Und dann sieht man, was aus den Bayern und was aus dem HSV geworden ist. Die Stadt hat mehr verdient."

Nach Ansicht von Wehmeyer hat beim HSV im Vergleich zu den Bayern die personelle Kontinuität nach der Zeit von Netzer gefehlt. "Die Bayern hatten über Jahrzehnte in Uli Hoeneß den exzellenten Fachmann überhaupt gehabt", sagt er. Später seien Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge dazu gekommen und hätten den Verein lange mitgeprägt. "Das ist entscheidend für die Erfolge der Bayern."

Zweimal spielte der HSV (2000/2001 und 2006/2007) noch in der Champions League, dem Nachfolgewettbewerb des Europapokals der Landesmeister. Im Halbfinale des Uefa-Pokals 2009 scheiterte der Club 2009 an Werder Bremen, ein Jahr später ebenfalls in der Vorschlussrunde der neu eingeführten Europa League am FC Fulham. Danach ging es für den Verein mehr und mehr abwärts – bis zum Abstieg 2018. Eine Mischung aus Eitelkeiten, Inkompetenz und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen führten dazu.

Das legendäre Wembley-Stadion

Seit fünf Jahren bemüht sich der Hamburger SV wieder dahin zu kommen, wo er meint, hinzugehören. Trainer Tim Walter wird nicht müde zu betonen, dass der HSV etwas Besonderes ist. Die Wucht, die der Verein noch immer entfaltet, zeigt sich an den Zuschauerzahlen. Der Schnitt liegt auch in der zweiten Liga bei etwas mehr als 53.500 Besuchern. In der Bundesliga haben nur vier Clubs höhere Besucherzahlen.

Wenn sich die 83er-Spieler treffen, geht es in den Gesprächen stets um den HSV. "Er ist unser aller Herzensclub", versichert Stein. "Vielen blutet das Herz, wenn wir sehen, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat." Jimmy Hartwig appelliert an die aktuelle Spielergeneration: "Die Raute zu tragen, ist eine Ehre. Wer das nicht kapiert, soll woanders hingehen und Pferde züchten."

mad / Claas Hennig, Jann Philip Gronenberg, DPA

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