Interview mit Otto "Rehakles" "So was schafft nur der Fußball"

Seit dem sensationellen EM-Gewinn seiner Mannschaft ist Otto Rehhagel in Griechenland ein "Fußballgott": In einem Interview spricht der 65-jährige Meistertrainer über seinen größten Triumph, den hellenischen Freudentaumel und den Job als Bundestrainer.

Sie haben mit dem Gewinn der Fußball-Europameisterschaft ein großes Kapitel griechischer Sportgeschichte der Neuzeit geschrieben. Wie empfinden Sie diesen Triumph?

Rehhagel: "Das ist natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt in meinem Sportlerleben als Spieler und Trainer. Dieses 1:0 im EM-Finale gegen Portugal geht weit über sportliche Begriffe hinaus. Es ist einfach fantastisch, dass der Fußball es geschafft hat, alle Menschen in Griechenland zu vereinen. Das ist etwas Großartiges, das der Politik nicht immer gelingt. Mir fällt da ganz spontan das Lied 'Alle Menschen werden Brüder' ein."

Wie groß ist Ihr Anteil an diesem unerwarten Erfolg?

Rehhagel: "Diesen Titel hat die Mannschaft geholt und ihn sich hoch verdient. Ich habe meinen Spielern nur Ratschläge gegeben und sie haben sich in vorbildlicher Weise daran gehalten. Dafür danke ich ihnen ganz herzlich. Sie haben sich wunderbar diszipliniert verhalten, seit wir vom 26. Mai an uns auf die Europameisterschaft vorbereitet haben. Es ist nicht immer leicht, mit rund 30 Mann inklusive dem Betreuerstab jeden Tag zusammen zu sein."

Wie haben Sie es geschafft, eine solche für den Erfolg wichtige fast familiäre Atmosphäre zu erzeugen?

Rehhagel: "Indem ich und mein Assistent Joannis Topalidis immer wieder Einzelgespräche mit jedem Spieler geführt haben, vor allem auch mit denen, die nicht gespielt haben. Sie haben begriffen, dass wir nur als homogene Gruppe Erfolg haben können. Das hat wunderbar hingehauen. Die Mannschaft ist im Verlaufe des Turniers immer mehr zusammen gewachsen und hat sich wunderbar entwickelt, wie man an dem Ergebnis sieht."

Hatten Sie vor der EM nur ansatzweise daran gedacht, dass Ihr Team überhaupt Chancen auf einen Sieg hat und dann so weit kommen kann?

Rehhagel: "Als wir uns qualifiziert hatten, wollten wir natürlich auch unseren ersten Sieg bei einer EM holen. Man konnte aber nicht ahnen, dass es so weit gehen würde. Das hat sich dann so entwickelt, wie es gekommen ist."

Wie kommt es, dass große Fußball-Nationen wie Frankreich, England, Italien und Deutschland früh nach Hause mussten und nun Griechenland ganz oben steht?

Rehhagel: "Es gibt kaum noch einen Unterschied zwischen groß und klein. In diesen Zeiten moderner Kommunikationsmöglichkeiten ist die Welt ein Wohnzimmer geworden. Sensationen hat es immer wieder gegeben, so zum Beispiel 1966 der 1:0-Sieg Nordkoreas über Italien. Bei diesem Turnier hat es eine Sensationsmannschaft gegeben, und die waren wir. Von solchen Überraschungen lebt die ganze Geschichte."

Werden Sie jetzt ihren Vertrag bis 2006 erfüllen und Griechenland auf die WM in Deutschland vorbereiten oder würden Sie ein Angebot, deutscher Bundestrainer zu werden, annehmen?

Rehhagel: "Es ist jetzt an der Zeit, nur über meine Jungs zu sprechen. Sie haben das Recht, dass man sich nur um sie kümmert. Es wäre fatal, jetzt auch nur ein Wort über andere Dinge zu verlieren."

DPA
Aufgezeichnet von Reinhard Schwarz, dpa

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