Bayern München hat die Reißleine gezogen und sich nach nur zehn Monaten von Trainer Jürgen Klinsmann getrennt. Mit Ex-Coach Jupp Heynckes (63) als Nothelfer bis zum Saisonende will der deutsche Fußball-Meister an den letzten fünf Bundesliga-Spieltagen doch noch die Titelverteidigung anstreben oder zumindest die erneute Qualifikation für die Champions League sichern. Die Bayern sind derzeit Tabellendritter, was zu den Qualifikationsspielen zur Champions League berechtigt.
Jetzt gebe es noch einmal die Chance, "mit neuem Schwung das Unglaubliche zu schaffen", sagte Bayern-Manager Uli Hoeneß auf einer Pressekonferenz: "Wir sind so alte Fantasten". Hoeneß und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge verteidigten zugleich die Entscheidung, den bisherigen Coach Jürgen Klinsmann zu entlassen und Jupp Heynckes als Interims-Coach bis zum Saisonende zu engagieren. Die Mannschaft habe es "neutral" aufgenommen.
Heynckes feiert sein Bundesliga-Comeback ausgerechnet am Samstag im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Mit den abstiegsbedrohten Gladbachern war er als Spieler mehrfach deutscher Meister geworden und arbeitete dort später auch zweimal als Trainer. Wer in der kommenden Saison Cheftrainer beim Rekordmeister sein wird, teilte der Verein zunächst nicht mit.
Imageschaden für den Vorstand
"Wir haben uns diese Entscheidung sehr schwer gemacht", versicherte Rummenigge. "Aber die Ergebnisse der vergangenen Wochen, die Art und Weise wie diese zustande kamen und vor allem die Situation fünf Spieltage vor Saisonende zwangen uns, aus Verantwortung dem Club gegenüber zu handeln." Auch für den Vorstand ist das vorzeitig beendete Projekt mit dem ehemaligen Bundestrainer ein großer Imageschaden.
Der entlassene Jürgen Klinsmann zeigte sich in einer ersten Stellungnahme "sehr enttäuscht" über seinen Rauswurf. "Trotzdem möchte ich mich von Herzen beim FC Bayern München, seinen Fans, den Trainern, den Spielern und den Mitarbeitern für eine ereignisreiche Zeit bedanken", erklärte der 44-Jährige am Montag. Der ehemalige Bundestrainer sieht sich in seiner nur zehnmonatigen Amtszeit beim deutschen Fußball-Rekordmeister nicht gescheitert. "Wir haben den Grundstein gelegt für die Zukunft. Ich glaube noch immer daran, dass die Mannschaft in dieser Saison deutscher Meister werden kann."
Heynckes zweimal Meister mit Bayern
Der zuletzt pausierende Frührentner Heynckes übernimmt am Dienstag die Trainingsarbeit mit den Bayern-Profis. Ihm steht Hermann Gerland, der Trainer der Drittliga-Mannschaft des FC Bayern, zur Seite. "Mit Jupp Heynckes und Hermann Gerland haben wir zwei erfahrene Trainer, denen wir die Leitung der Mannschaft bis zum Saisonende übertragen", sagte Rummenigge.
Heynckes wurde in seiner ersten Münchner Amtszeit von 1987 bis zu seiner Entlassung am 8. Oktober 1991 zweimal Meister (1989, 1990). Mit Real Madrid feierte er 1998 mit dem Gewinn der Champions League seinen letzten großen Erfolg - nach dem gewonnenen Finale musste er die "Königlichen" allerdings verlassen.
Kündigung am frühen Morgen
Klinsmann war am Morgen des für die Profis trainingsfreien Tages um 9.23 Uhr auf das Vereinsgelände gekommen. Im Gespräch mit dem Vorstand wurde er dann von dem vorzeitigen Ende der Zusammenarbeit unterrichtet. "Der FC Bayern München dankt Jürgen Klinsmann und seinem Team für ihre Tätigkeit", hieß es kurz und knapp in der Mitteilung des Rekordmeisters. Auch Klinsmanns Assistenten Martin Vasquez und Nick Theslof wurden entlassen. Klinsmann verließ die Tiefgarage auf dem Vereinsgelände um 11.30 Uhr beinahe fluchtartig mit seinem Dienstwagen.
Klinsmanns Entlassung ist der insgesamt vierte Trainerwechsel in der laufenden Bundesliga-Saison. Der ehemalige Bundestrainer hatte als "absoluter Wunschtrainer" des Münchner Vorstandes um Rummenigge und Manager Uli Hoeneß sein Amt im vergangenen Juli als Nachfolger von Ottmar Hitzfeld angetreten. Klinsmanns Vertrag wäre am 30. Juni 2010 ausgelaufen. Der 44-Jährige dürfte eine Abfindung in Millionen-Höhe erhalten.
Klinsmann wollte es "durchziehen"
Klinsmann hatte sich noch am Samstag nach der 0:1-Heimniederlage gegen Schalke überzeugt gezeigt, dass er weiterhin das Vertrauen der Vereinsführung genieße. "Wir ziehen das durch. Die Chemie stimmt intern", hatte der ehemalige Bundestrainer erklärt, der nun bei seiner ersten Station als Vereinscoach vorzeitig gescheitert ist.
Am Sonntag hatte er letztmals das Training des Tabellendritten geleitet. Mit den Bayern war Klinsmann in der Champions League und im DFB-Pokal jeweils im Viertelfinale ausgeschieden. Bei drei Punkten Rückstand auf den VfL Wolfsburg haben die Bayern als Tabellendritter an den letzten fünf Spieltagen noch die Chance auf den 22. Meistertitel.