"Das Uefa-Exekutivkomitee ist heute per Videokonferenz zusammengetreten und wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass die zuständigen Behörden die Durchführung aller vier Partien der Uefa Euro 2020 in München mit mindestens 14.500 Zuschauern genehmigt haben, weshalb die Stadt als Austragungsort bestätigt wurde."
Nach dieser vermeintlich eindeutigen Mitteilung der europäischen Fußball-Union (Uefa) vom Freitag scheint das monatelange Gezerre um die Austragung von vier Spielen der Fußball-EM im Juni in der bayerischen Landeshauptstadt beendet zu sein.
Noch keine feste Zusage über Zuschauer in München
Doch die Uefa hat mit ihrer Darstellung eine Nebelkerze gezündet und der Öffentlichkeit offensichtlich nur die halbe Wahrheit mitgeteilt. Das zeigen die Reaktionen der "zuständigen Behörden" und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die nach der Mitteilung der Uefa eiligst verbreitet wurden. Keiner der Verantwortlichen dort will etwas von einer festen Zusage für 14.500 Zuschauer in der Münchner Allianz Arena wissen.
Als einer der ersten ließ der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) die Öffentlichkeit wissen, dass die Uefa offenkundig voreilig Fakten schaffen wollte: "Alles ist vorbehaltlich der pandemischen Lage", sagte er der Nachrichtenagentur DPA. Die Spiele seien ja erst in rund zwei Monaten und daher müsse dann wie bei allen anderen Dingen vorher geschaut werden, welche Lockerungen möglich seien.
Geplant sind in München insgesamt drei Vorrundenspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich (15. Juni, 21 Uhr), Portugal (19. Juni, 18 Uhr) und Ungarn (23. Juni, 21 Uhr) sowie ein Viertelfinale (2. Juli, 21 Uhr).
Auch aus der Bundesregierung kommen zurückhaltende Töne, wenn es um Zuschauer im Stadion geht. Für das Bundesinnenministerium habe das Infektionsgeschehen "höchste Priorität", sagte ein Sprecher noch vor der Uefa-Mitteilung. "Es wird erst vom Infektionsgeschehen abhängig gemacht werden können, ob die Möglichkeit besteht, Zuschauer ins Stadion einzulassen oder nicht." Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übte sich zwar in Optimismus, wollte aber ebenfalls keine feste Zusage für Fans im Stadion geben. Dies sei zwar nicht auszuschließen, man sollte aber auch nicht zu viele Erwartungen wecken, so der CDU-Politiker.
Am deutlichsten wurde Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er trat kurz nach der Mitteilung der Uefa in den Innenhof des Rathauses und sprach von einem "erfreulichen Tag" für die Fußball-Fans in seiner Stadt. Reiter machte aber auch klar, dass er die Ansicht des europäischen Fußball-Verbandes nicht teilt: "Ich freue mich auch, dass die Uefa freundlicherweise eingesehen hat, dass München auch ohne Zuschauergarantien ein attraktiver Spielort ist."
Es könne "niemand" sagen, ob im Juni Fans die Spiele besuchen könnten, sagte Reiter mit Blick auf die Pandemielage und betonte mehrfach, dass es "keine Zusagen irgendwelcher Zuschauergarantien" gegeben habe – weder von der Stadt München noch vom Freistaat Bayern. Er sähe einen Widerspruch zwischen Zuschauern im Fußball-Stadion und gleichzeitig geschlossenen Schulen, Kitas, Restaurants und Hotels.
Solange die Sieben-Tage-Inzidenz in München nicht "deutlich unter 100" sei, sei an EM-Spiele mit Zuschauern nicht zu denken. An diesem Freitag lag der Wert im Stadtkreis München laut Robert-Koch-Institut bei 148,2. Klarheit über Fans im Stadion soll Reiter zufolge "spätestens Anfang Juni" herrschen.
DFB freut sich über Fußball-EM-Spiele in München – mit und ohne Fans
Seitens des Deutschen Fußball-Bundes teilt man die Freude und Euphorie Reiters über die Zusage der Uefa, München als Austragungsort beizubehalten. Doch von einer Zuschauergarantie will man auch in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise nichts wissen. Er freue sich über die Bestätigung der Uefa und auf die Spiele in München, "vielleicht sogar vor Publikum, wenn es die pandemische Entwicklung zulässt", ließ sich Verbandspräsident Fritz Keller zruückhaltend zitieren. Auch seine Mitstreiter Philipp Lahm, Geschäftsführer der DFB Euro GmbH, Generalsekretär Friedrich Curtius und Nationalelfs-Manager Oliver Bierhoff vermieden es in ihren Statements, von Zuschauern im Stadion auszugehen.
Fest steht: Es wurden im Vorfeld drei verschiedene Szenarien für die Partien in München ausgearbeitet: Geisterspiele, 14.500 Zuschauer und maximal 27.000 Zuschauer.
Das mittlere Modell wird dabei von den Verantwortlich als "Leit-Szenario" angesehen und von DFB, der Stadt München und den zuständigen Ämtern und Behörden für realistisch gehalten – eine feste Zusage ließe sich daraus jedoch nicht ableiten, hieß es unisono. Außer von der Uefa.
Quellen: Uefa, Stadt München, Robert-Koch-Institut, DFB (1), DFB (2), Nachrichtenagentur DPA