Schalke 04 beurlaubt Ralf Rangnick mit sofortiger Wirkung. Das teilte der Fußball- Bundesligist am Montag mit. Damit zog der deutsche Vizemeister wie erwartet die Konsequenzen aus den Vorfällen beim Spiel gegen Mainz 05 am Samstag. Dort hatte der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer, der tags zuvor seinen Abschied zum Saisonende verkündet hatte, mit einer "Ehrenrunde" vor der Partie für Unmut in der Führungsspitze gesorgt. Rangnick hatte seinen Dienst am 28. September 2004 angetreten.
Unmittelbar nach dem Spiel hatten sowohl Rangnick als auch die Schalker Verantwortlichen nach dem verdienten 1:0-Sieg gegen den FSV Mainz 05 nicht ausgeschlossen, ein weiteres Halbjahr bis zum offiziellen Vertragsende des Trainers "professionell" zusammen zu arbeiten. Doch nach dem skurrilen Szenario rund um die Bundesligapartie am Samstag ist diese Variante in dem Klima des gegenseitigen Misstrauens unvorstellbar.
"Das habe ich noch nie erlebt"
Die Gräben sind zu tief, zwischen Rangnick und Sportmanager Andreas Müller sowie Rudi Assauer herrscht Eiszeit. Die sportliche Führung empfand es als Affront, dass der 47 Jahre alte Fußball- Lehrer, der am Freitag überraschend seinen Abschied zum 30. Juni 2006 verkündet hatte, sich in einer "Ehrenrunde" kurz vor dem Anpfiff des letzten Heimspiels 2005 von den Fans feiern ließ. "Es war kein Abschied. Ich wollte den Fans Danke sagen für die tolle Unterstützung im ganzen Jahr", erklärte Rangnick sein Verhalten als spontane Geste.
Jedem im Stadion war da schon klar, dass spätestens nach dem letzten Hinrundenspiel beim VfB Stuttgart am Samstag Rangnicks Amtszeit auf Schalke enden wird. Für Assauer war das Verhalten des Coaches nicht akzeptabel. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Diese Geschichte hat eine gewisse Bedeutung. Es sah aus wie eine Abschiedsrunde. Und wenn ich mich verabschiede, dann ist auch Schluss", meinte der Manager vielsagend. Es sei schon "sehr außergewöhnlich" gewesen: "Das habe ich noch nie erlebt."
"Das war ein bisschen irritierend"
Auch einige Spieler, die sich zu dem Zeitpunkt noch zum Aufwärmen auf dem Rasen befanden, waren perplex. Bei ihnen löste Rangnicks demonstrativer Schulterschluss mit den Fans, die ihn auch während des Spiels mit Sprechchören feierten, Befremden aus. Torhüter Frank Rost soll vor Zorn getobt haben, sprach von "Zirkus" und "Farce". Gerald Asamoah gestand: "Das war ein bisschen irritierend. Ich mache Ehrenrunden lieber nach dem Spiel." Fabian Ernst fand den "Zeitpunkt nicht optimal", zeigte aber auch ein wenig Verständnis: "Dem Trainer tut es gut, die Fans im Rücken zu haben."
Die Sache war in der vergangenen Woche ins Rollen gekommen. Der Auslöser für Rangnicks überraschend verkündeten Entschluss, den auslaufenden Vertrag nicht zu erfüllen, waren Veröffentlichungen der Boulevardpresse. Die "Bild"-Zeitung hatte von einem angeblich getroffenen Vorstandsbeschluss berichtet, Rangnicks Kontrakt nicht zu verlängern. Doch nicht die Tatsache, dass die Clubspitze die Fortsetzung der Zusammenarbeit diskutierte, trieb Rangnick zum Rückzug. Sondern, dass Interna aus geheimen Sitzungen via "Bild" nach außen getragen wurden, und dies nicht zum ersten Mal. "Es ist legitim, dass sich der Club Gedanken macht. Aber das Thema wochenlang öffentlich zu diskutieren, ist unprofessionell", geißelte Rangnick das "politische Possenspiel". Auf seine Frage, ob der Bericht zutreffe, erhielt der Coach nach eigener Aussage vom Vorstand kein Dementi. "Da war klar, was ich zu tun hatte."
Assauer sucht nach "Maulwurf"
Assauer räumte ein, dass es Gespräche gegeben habe. Während Müller von einer "gewissen Tendenz" gegen Rangnick sprach, schwört Assauer Stein uns Bein: "Es gab noch keine Entscheidung über den Trainer, definitiv nicht. Dann ist es nach außen gedrungen, und Ralf schmeißt auf einmal alles hin." Man habe sich erst in der Winterpause in Ruhe mit Rangnick beraten wollen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. "Für uns ist dann eine völlig neue Situation entstanden. Und ich kann im Moment wirklich nicht sagen, wie es weiter geht. Macht man sofort ein Break oder lässt man es noch ein halbes Jahr so laufen? Das empfinde ich als schwierig. Aber ich gehe davon aus, dass wir das letzte Spiel in Stuttgart noch mit Ralf durchziehen", sagte Assauer.
Doch der Manager hat noch ein weit brisanteres Problem. Er muss einen "Maulwurf" suchen. Außer ihm und Müller waren bei der genannten Sitzung auch die Vorstandsmitglieder Josef Schnusenberg und Geschäftsführer Peter Peters anwesend. "Der, der den Stein ins Rollen brachte, hat uns einen Bärendienst erwiesen. Wir arbeiten daran, ihn zu finden", sagte Assauer. Derweil hat hinter den Kulissen schon die Suche nach einem neuen Coach begonnen, der vom 4. Januar an die Rückrundenvorbereitung beim Vizemeister leiten soll.