Stefan Effenberg "Quatsch, es ist alles Quatsch!"

Die alten Geschichten jucken ihn wenig - Reue kennt der Fußball-Profi Stefan Effenberg nicht. Ein Gespräch über den VfL Wolfsburg, die Freude aufs Karriereende, seine Memoiren und die Malerei.

Herr Effenberg, Sie kommentieren neuerdings Champions-League-Spiele für RTL. Die Kritiken nach Ihrer Premiere waren überraschend gut.

Wieso überraschend?

Fußballer, die plötzlich den Kommentator geben, kassieren häufig Spott. Fragen Sie mal Karl-Heinz Rummenigge.

Ich glaube, wenn man mit Freude an etwas rangeht, wird es auch gut. Ich habe mich auf das Spiel der Bayern in Mailand gefreut und auch darauf, die Jungs wieder zu sehen.

Ihre ehemaligen Kollegen bekleckern sich in dieser Saison im Europacup nicht gerade mit Ruhm. Eine Genugtuung für Sie?

Ich sehe das nüchtern: In der Champions League aus den ersten vier Spielen nur einen Punkt zu holen ist für den FC Bayern unterirdisch.

Fehlen Sie den Bayern?

Karl-Heinz Rummenigge hat gesagt, dass der jetzige Bayern-Kader der beste aller Zeiten sei. Da kann ich also nicht fehlen.

In Mailand präsentierten Sie sich vor der Kamera in einem ziemlich eigenwilligen Fell-Mantel. Wollten Sie mal wieder provozieren?

Warum provozieren? Das ist ein wunderschöner Mantel. Das ist Boulevard...

... und das bedienen Sie gern?

Wenn ich etwas sehe, was mir gefällt, kaufe ich es und trage es auch. Natürlich weiß ich, was das für Reaktionen auslösen kann. Dass der Mantel am nächsten Tag tatsächlich in den Zeitungen erwähnt wird - darüber kann ich dann schmunzeln.

Gehen Sie mit dem Mantel auch durch die Wolfsburger Fußgängerzone?

Im Zickzack. Nein, ich gehe nicht durch die Fußgängerzone in Wolfsburg. Grundsätzlich nicht.

Warum denn nicht?

Das Leben in dieser Stadt ist natürlich anders als in München, Hamburg oder Florenz. In Wolfsburg kann ich mich nicht so anonym bewegen wie in diesen Städten. Wenn ich frei habe, fahre ich nach Hamburg, um meine Eltern zu besuchen. Oder nach München zu Freunden. Oder mal nach Berlin. Die Stadt Wolfsburg ist aber auch nicht der Grund, warum ich hier bin, sondern Fußball.

Wie kickt es sich als Weltstar in der Provinz?

Natürlich kann man Wolfsburg nicht mit dem FC Bayern vergleichen. Es gibt keinen Verein in Deutschland, den man mit Bayern München vergleichen kann. Aber ich fühle mich wohl hier. Die Leute bringen mir eine unglaublich große Sympathie entgegen.

Nun sind Sie keiner, bei dem man erwartet hätte, dass ihm Sympathie wichtig ist. Sie haben immer gesagt: Ich will Respekt, keine Liebe.

Der VfL hat sich wirklich um mich bemüht. Und das Konzept hat mich überzeugt: Das neue Stadion, das im Dezember fertig ist, ist wunderbar. Der Verein hat VW im Rücken, also auch die finanziellen Möglichkeiten. Die Mannschaft blieb in den vergangenen Jahren immer hinter ihren Erwartungen zurück - das war für mich der Anreiz, zu sagen, vielleicht klappt es ja mit mir, dass sie nach vorne kommt.

Sie waren der Kopf der Bayern, Ihr Herz schlägt für Gladbach. Wo ist da Platz für Wolfsburg?

Gladbach hat mich zum Bundesligaspieler gemacht. Mit Bayern habe ich meine größten Erfolge gefeiert. Bei Wolfsburg habe ich jetzt dieses Gefühl wie damals in den Anfängen bei der Borussia. Oder wie 1994, als ich noch mal zurückgekehrt bin nach Gladbach - falls man sich noch erinnert: Da war der Verein auch zwischen Gut und Böse in der Tabelle. Und dann wurden wir Vierter und Fünfter und Pokalsieger. Die Möglichkeit sehe ich in Wolfsburg auch.

Sie bringen dem Klub das Siegen bei?

Ich will das Optimale aus der Mannschaft herauskitzeln. Wenn wir ein Spiel verlieren, kann ich nicht nach Hause fahren und sagen: Okay, haben wir halt verloren, tut uns aber nicht weh, wir sind ja weiterhin Zehnter. Zufrieden zu sein mit der Mittelmäßigkeit - das kann es nicht sein! Unser Ziel ist es, Fünfter zu werden. Und wenn wir nachher Achter sind, dann werde ich mich rechtfertigen müssen.

Fühlen Sie sich schon verantwortlich?

Natürlich stehe ich in der Verantwortung! Der Verein hat mich gekauft und bezahlt mir auch nicht wenig Geld dafür, dass ich hier auf Grund meines Alters, meiner Erfahrung und meiner Erfolge Verantwortung übernehme. Das war ein unwahrscheinlicher Medienauftrieb hier, als ich ankam, für Wolfsburg eine Riesenumstellung. Wenn man aber die Champions League anvisiert - und das ist das Ziel des VfL in absehbarer Zeit -, muss man eben lernen, damit umzugehen. Daran muss man jetzt wachsen.

Sie lieferten nicht nur wegen Ihres neuen Vereins Gesprächsstoff, sondern auch privat: Sie trennten sich im Sommer von Ihrer Frau und Managerin Martina und sind seitdem mit Claudia Strunz liiert.

Natürlich ist es etwas Besonderes, wenn eine Person des öffentlichen Interesses sich trennt von der Ehefrau. Natürlich schlägt es Wellen. Aber ich habe keine Lust mehr, in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Das tue ich nur, wenn es angebracht ist, ein paar Dinge richtig zu stellen.

Wenn Sie auf die vergangenen Monate zurückblicken - gibt es etwas, bei dem Sie sagen: Da habe ich einen Fehler gemacht?

Nein.

Zweifeln Sie nie an sich?

In der Sekunde, in der ich eine Entscheidung treffe, bin ich immer überzeugt, dass sie richtig ist. Klar, im Nachhinein setze auch ich mich mit gewissen Dingen auseinander: War das wirklich richtig? Aber ich stehe zu meinen Entscheidungen.

Wenn man im Archiv nach Stefan Effenberg stöbert...

Quatsch, es ist alles Quatsch. Man kann nicht heute Dinge herausholen oder hinterfragen, die ich vor zehn Jahren gesagt habe.

Trotzdem stellt sich die Frage: Wie wird man so hart wie Sie?

Natürlich braucht man ein gewisses Selbstbewusstsein, Themen anzusprechen und trotzdem nicht am nächsten Tag zu behaupten: Das habe ich so nicht gesagt! So wie im April bei diesem Interview, wo es auch um Arbeitslosigkeit ging. Es lag mir fern, dann vor dem Bayern-Präsidium zu weinen: Das habe ich so nicht gesagt, bitte glaubt mir!

Sie fanden damals, die Stütze sei so hoch, dass Arbeitslose gar keine Lust hätten, arbeiten zu gehen. Haben Sie das mal bereut - vielleicht, als Sie kurze Zeit später selbst arbeitslos waren?

Nein, nein, nein. Ich glaube, dass es mittlerweile jeder verstanden hat, wie ich es meinte. Das wurde ja über Tage hinweg durchgekaut.

Ihren Weggang vom FC Bayern haben Sie sich mit jenen Aussagen ziemlich versaut: Suspendierung für zwei Partien, kein tränenreiches Abschiedsspiel.

Das sehe ich nicht so. Man soll meine vier Jahre bei Bayern sehen: Da stehen Erfolge, da steht eine Ära des FC Bayern, die wir geprägt haben: drei Meistertitel, Gewinn der Champions League. Ich bin der Meinung, dass das mit der beste Kader aller Zeiten war. Wenn ich es jetzt mit Abstand betrachte, waren es perfekte vier Jahre für den Verein und für mich persönlich. Ich war der Kapitän dieser Mannschaft. Da bin ich heute noch stolz drauf - unglaublich stolz.

Wir sind gerührt.

Sicher, in meinen letzten Monaten dort lief nicht alles rund. Aber ich bin niemandem böse - es ist vorbei. Und über das zu reden, was mal war, liegt mir fern.

Haben Sie »Nichts als die Wahrheit« von Dieter Bohlen gelesen?

Ja. Ich fand es zum Teil sehr lustig; das Buch nehmen nur die Leute bierernst, die darin eins übergebraten kriegen. Aber es ist schon heftig, wie Bohlen öffentlich über seine Liebschaften redet...

... das sagt einer, der seine Trennung in einer Talkshow verkündet hat?

Ich meine, wie Bohlen dabei in die intimsten Details geht. So was gehört sich nicht. Da muss man Etikette zeigen.

Wann dürfen wir denn mit Ihren Memoiren rechnen?

Eigentlich bin ich viel zu jung dafür. Andererseits: Ich werde jetzt 35. Es ist unwahrscheinlich viel passiert in den 16 Jahren, in denen ich Profi war. Nicht nur sportlich, sondern auch Drumherum. So viel wird bestimmt nicht mehr passieren bis ich 60 bin. Ich ordne erst mal meine Gedanken, und dann schauen wir mal, ob es was wird. Einen Ghostwriter habe ich immerhin schon.

Sie malen auch, wie man hört.

Ja. Ich komme leider nur selten dazu.

Wie dürfen wir uns das vorstellen - Stefan Effenberg mit dem Tuschkasten vor der Leinwand?

Pinselschwingend. Das ist eher so abstrakte Kunst. Ich werde irgendwann mal eine Ausstellung machen.

Im Volkswagen-Museum?

Nein, nein, bei mir zu Hause.

Aber Ihr Geld werden Sie nach Ihrem Karriereende damit nicht verdienen?

Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Ottmar Hitzfeld sieht mich als Trainer, andere sehen mich als Manager. Vielleicht hänge ich im nächsten Sommer auch noch ein Jahr als Profi dran. Das werde ich in der Winterpause mit meinen Kindern in Florida besprechen.

Haben Sie womöglich Angst vor dem endgültigen Abschied vom Fußball?

Überhaupt nicht. Ich freue mich sogar wahnsinnig darauf. Denn das bedeutet: Ich habe meine Kinder wieder. Und das ist nicht zu toppen.

Interview: Rüdiger Barth/ Ulrike von Bülow

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