Mutmaßliche Wettbetrüger beschäftigen erneut den deutschen Fußball - und wieder ist die türkische Riviera der Schauplatz. Vier Jahre nach einem offenkundig verschobenen Testspiel von Werder Bremen im Winter-Trainingslager in Belek ist nun die Freundschaftspartie zwischen dem Fußball-Drittligisten SV Wehen Wiesbaden und der U23 von Borussia Mönchengladbach (3:1) ins Visier der Ermittler geraten. Im Vorfeld des Spiels, das am vergangenen Samstag im wenige Kilometer entfernten Urlaubsort Side über die Bühne ging, wurden auffällige Wetten registriert.
Der Manipulationsverdacht erhärtet sich, weil der türkische Schiedsrichter Ali Can Soudal zwei äußerst strittige Elfmeter für Wehen gab. Zumindest einen dieser Strafstöße hätte man niemals geben dürfen, sagte Wehens Trainer Sven Demandt, der in der Vorsaison noch das Team des Gegners gecoacht hatte. "Alle haben sich angeguckt und gefragt: Was ist denn jetzt?", schilderte der Ex-Profi am Montag.
Wehen will Aufklärung
Erkan Ak, mit seiner Reiseagentur "Bluebird" Mitorganisator des Wehener Trainingslagers, sprach von einem "Schockmoment", den die Manipulationsvorwürfe bei ihm ausgelöst hätten. Der Geschäftsmann widersprach aber Meldungen, wonach "Bluebird" den Referee organisiert habe. Darum habe sich eine andere Agentur gekümmert, sagte Ak.
Die Wiesbadener versicherten, "mit allen zur Verfügung stehenden Informationen und Mitteln zur Aufklärung der Sachlage" beizutragen. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich inzwischen eingeschaltet. Beim Verband wartete man zunächst allerdings noch auf den Bericht der Sportradar AG, einem Schweizer Unternehmen, das im Auftrag des DFB und der Deutschen Fußball Liga auch Spiele mit deutschen Vereinen überwacht. Sportradar hatte Vereine und Verband auf Auffälligkeiten am Wettmarkt aufmerksam gemacht. "Aktuell versuchen wir den Spielbericht zu bekommen", sagte ein DFB-Sprecher.
Wetten auf Toranzahl
Konkret sollen in Asien hohe Geldbeträge auf eine bestimmte Anzahl von Toren in dieser Partie gewettet worden sein. Augenzeugen berichten, dass die Zuschauer mehrere Schiedsrichter-Entscheidungen mit heftigem Kopfschütteln quittierten. Von "Slapstick-Elfmetern" sprach Gladbachs Nachwuchstrainer Arie van Lent zu einem Zeitpunkt, als noch nichts von einem Manipulationsvorwurf bekannt war.
Mit der Wettmafia habe man die Elfmeter zunächst nicht in Verbindung gebracht, weil die Qualität vieler türkischer Referees grundsätzlich nicht so hoch wie in Deutschland sei, kommentierte Demandt, dessen Team am Montag in einem weiteren Test 1:2 gegen Hannover 96 unterlag.
Nicht der erste Manipulationsversuch bei Testspiel
96-Coach Thomas Schaaf hat unfreiwillig selbst schon eine Erfahrung gemacht mit mutmaßlichen Manipulationen im Fußball - ebenfalls in der Türkei. Im Januar 2012 war Schaaf noch Werder-Coach, als ein Referee im Test gegen AZ Alkmaar unter anderem eine vollkommen überzogene zehnminütige Nachspielzeit verhängte. Hinterher kam heraus, dass der Referee eigentlich gesperrt war. "Bei dem Spiel damals wurde zum Schluss klar, dass da was schief läuft. Da wussten wir anschließend relativ schnell, dass da Kriminalität dahintersteckt", sagte Schaaf.
In Belek kann man dieser Tage leicht den Überblick verlieren. Auf den zahlreichen Rasenplätzen der Luxushotels werden jeden Tag etliche Tests ausgetragen, die meisten abseits der großen Öffentlichkeit. Das Spiel zwischen Wehen Wiesbaden und Hannover am Montag im Cornelia Sport Centre beobachteten dank vieler mitgereister Hannoveraner Fans immerhin 60 Zuschauer. Brisante Szenen blieben diesmal aber aus.