Die WM neigt sich dem Ende entgegen. Und Jürgen Klinsmann steht vor dem "kleinen Finale" am Samstag gegen Portugal vor der vielleicht schwierigsten Aufgabe dieser vier Wochen. Wie motiviere ich eine angeschlagene, ausgepowerte und nach dem bitteren Ausscheiden psychisch instabile Mannschaft für ein Spiel, in dem es um die "Goldene Ananas" geht? Sollte der Bundestrainer auf diese Frage wirklich eine Antwort finden - und für die deutsche Nationalelf am Ende tatsächlich Platz drei herausspringen - wäre das ein weiterer Beleg für die vorbildliche Arbeit Jürgen Klinsmanns.
Er selbst macht keinen Hehl daraus, dass man die Reise nach Stuttgart nicht unbedingt, sagen wir, mit dem größten Vergnügen antritt: "Es ist nicht das Finale, das wir uns gewünscht haben." Nur schwerfällig gehen dem Bundestrainer die folgenden Sätze über die Lippen: "Wir werden uns alle Mühe geben. Das Team hat sich viel vorgenommen. Das kleine Finale hat auch was für sich". Jürgen Klinsmann kann auf der letzten Pressekonferenz dieser WM in Berlin seine Enttäuschung über die Halbfinal-Niederlage gegen Italien nicht verbergen. Es wirkt jetzt alles nur noch wie eine Pflichtveranstaltung - verständlich. Was soll er auch anderes sagen? Natürlich werden sie ein letztes Mal versuchen, alle "Kräfte zu mobilisieren", um dem Publikum einen "tollen Abschluss" zu bieten.
"Wir hauen die Deutschen weg"
Apropos Kräfte mobilisieren: Da fängt es nämlich schon an. Jürgen Klinsmann wird gegen Portugal auf drei Spieler verletzungsbedingt verzichten müssen. Vielleicht sogar auf vier. Dass Per Mertesacker und Arne Friedrich ausfallen würden, war bereits bekannt. Neu ist, dass auch Kapitän Michael Ballack wegen einer Sehnenentzündung im Knie nicht mitwirken kann. Und auch der Einsatz seines "Backups" Tim Borowski (Fußprobleme) ist stark gefährdet. Chelsea-Profi Robert Huth und Gladbachs Youngster Marcell Jansen werden in die Startelf rücken, darüber hinaus wird Oliver Kahn von Jürgen Klinsmann für die klaglose Interpretation seiner Rolle als Nummer 2 belohnt. Kahn hütet für Lehmann das Gehäuse. Weitere personelle Änderungen nicht ausgeschlossen.
Mit einer umgekrempelten Mannschaft will man nun also versuchen, gegen ein portugiesisches Team zu bestehen, dass nach dem Aus gegen Frankreich Trotz folgen lassen will. "Jetzt wollen wir Deutschland weghauen", meinte Trainer Scolari unmittelbar nach der Niederlage und fand bei seinen Schützlingen offene Ohren. "Wir haben unseren Stolz nicht verloren", ergänzte Mittelfeldass Deco. Große Worte vor einem kleinen Spiel. Der Trainer der Deutschen spukt vor dem eigentlich bedeutungslosen Kick am Samstag keine großen Töne. Damit bleibt er seiner Linie, die er während dieser vier WM-Wochen konsequent durchgezogen hat, treu. Selbstvertrauen in die eigene Stärke ja, plumpes auf die Tonne hauen, nein.
Emotionaler Höhepunkt am Sonntag
Stattdessen reflektiert Jürgen Klinsmann ein letztes Mal (zumindest auf diesem Podium) das Spiel gegen Italien und resümiert, dass die Mannschaft lernen müsse, abgeklärter zu werden, um im beinahe gleichen Atemzug sein Team über den grünen Klee zu loben: "Sie haben sich eine eigene Identität aufgebaut. Das kann man nicht hoch genug einschätzen." Und dann sagt er auch noch diesen Satz: "Am Tempofußball, an der schnellen Spielweise wird weiter gearbeitet werden." Die Spekulationen um das Fortbleiben Jürgen Klinsmanns als Bundestrainer auch über das Ende der WM hinaus dürften damit neue Nahrung erhalten haben. Wie sich der schwäbische Sturkopf in der "K-Frage" letztlich entscheiden wird, weiß er ganz offensichtlich selbst noch nicht einmal. So wird die "K-Frage" auf der Pressekonferenz in Berlin von Klinsmann kurzerhand zur "Familienfrage" umgetauft, will heißen: Die Familie entscheidet, ob es weiter geht oder nicht. "Für uns ist klar, dass der Trainer bleibt. Es wäre schlimm, wenn es anders kommen würde", so lautet die von Marcell Jansen stellvertretend für die Mannschaft vorgetragene Meinung zu diesem Thema.
Vor dieser imminent wichtigen Personalentscheidung steht zum Abschluss dieser WM aus deutscher Sicht nun aber ein letztes Mal das Sportliche im Vordergrund, bevor sich die Mannschaft am Sonntag ab 12 Uhr auf der Berliner-Fanmeile vor dem Brandenburger Tor von ihren Anhängern verabschieden wird. Dass das mitunter eine höchst emotionale Angelegenheit werden könnte, nimmt Klinsmann gerne in Kauf. Genauso wie ein mögliches Überschwappen der Gefühle: "Wenn die Tränen fließen, dann fließen sie eben." Das waren dann ganz zum Schluss doch noch große Worte.